Fundstücke

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Damensegeln

Anmerkungen von Käthe Bruns 1953

Die gute alte Zeit des "Damensegelns" noch ohne Radio und Segelhosen, aber mit großen Strohhüten, weiten Gewändern und einer zärtlichen Damenbrise. Zu den leisen Klängen der Ziehharmonika führt der Kapitän mit kräftiger Hand das Ruder der großen Ketch.

Nur wenn "Damenwind" war - WS 0-2 - wagten sie sich an Bord, bewaffnet mit Sonnenschirm und FiletHalbhandschuhen, aus Angst vor Sommersprossen. Sie fanden es "himmlisch", wenigstens bis die Verlobung perfekt war. Danach allerdings hieß es: "Nicht wahr, Schatzi, nun brauche ich nicht mehr mit auf das ,gräßliche' Segelschiff?" So geschehen in meinem Heimathafen Wannsee, anno 1879. In dieser prähistorischen Zeit lag nicht nur ich selbst, sondern auch der Berliner Segelsport noch in den Windeln.

Jedoch auf ihre Art protegierten die damaligen Seglergattinnen den Sport, indem sie die Namen der Boote in riesdgen Buchstaben auf metergroße Flaggen (sie nannten sie "Fahnen") stickten, die dann als weithin lesbare Visitenkarte während der Wettfahrt von der Nock der Gaffel flatterte und ein Programm überflüssig machte. - Nach der Regatta überreichte die prominenteste Gattin mit huldreichem Lächeln den Siegern die Preise. Meist waren dies Frühstückskörbe. - Außerdem förderten sie den Sport durch Bereitstellen des nötigen Proviants.

So war es noch 1895, als mit einer glanzvollen Kieler Woche der NordOstsee-Kanal eröffnet wurde, wozu der Norddeutsche Regattaverein den Salondampfer "Peregrine" für seine Mitglieder als Hotelschiff gechartert hatte. An Bord war die Creme der Hamburger Gesellschaft, unter anderem die Damen der Familie Wentzel. Eine von ihnen war die jungverheiratete Frau Richard Krogmann. Die Hamburger Damen waren sehr interessiert an der Regatta, natürlich nur vom Begleitdampfer aus. Mitsegeln? Undenkbar! Eine einzige Ausnahme gab es, die war aus Hannover, Gattin des Admirals a. D. Rittmeyer. Sie steuerte besser als ihr Mann und schlug meinen Vater auf dessen später so berühmt gewordener "Luna". Eigentlich war es unzulässig, daß eine Dame während einer Wettfahrt das Ruder hatte, denn die deutschen ,Vereine nahmen keine weiblichen Mitglieder auf, bis auf den ältesten Klub, den Königsberger "Rhe". Dort soll's damals schon segelnde Damen gegeben haben. Natürlich waren auch alle Klubfestlichkeiten ausschließlich männliche Angelegenheit. Wenn der Kaiserliche YachtClub eine Geschwaderfahrt mit anschließendem Essen nach Eckernförde machte, mußten die mitgekommenen Damen für sich an einem Katzentischchen in einem halb dunklen Vorraum essen. Dabei stand gerade auf der Jachtliste dieses Vereins an erster Stelle ein Fahrzeug, daß einer Frau gehörte: die "Iduna" der deutschen Kaiserin. Sie ist manchmal damit gesegelt und stand Pate bei den Töchtern ihres Segel-Offiziers v. Karpf.

Von 1908 an veranstaltete der Verein Seglerhaus am Wannsee interne Wettfahrten für seine Damen. Doch war dies eine harmlose Angelegenheit, bei der die männlichen Souffleure das Beste taten. Aber die Entwicklung war doch nicht mehr aufzuhalten. Auf vielen seegehenden Fahrtenkreuzern gehörten schon Damen zur Crew, allerdings in der bescheidenen Stellung eines Smutje. Ganz so bequem wie zu Haus war das Kochen an Bord nicht, wenn die Luken dicht waren, das Boot rollte und schlingerte, die Suppe aus dem Topf lief und der Primus trotz allen Pumpens mehr stank als brannte. Manche Gattin fand denn auch, dies Vergnügen sei kein Vergnügen und blieb zu Haus. Weil aber die meisten Männer nur ungern auf weibliche Gesellschaft verzichten, geschah es, daß man in abgelegenen Häfen einen guten Bekannten traf in Begleitung eines "Fräulein Gemahlin". Ja, dies war so üblich, daß ich in Skandinavien gelegentlich für das Verhältnis meines Kapitäns gehalten wurde. Wenn er auf eine derartige Andeutung hin erklärte: "Erlauben Sie! Das ist meine Frau!", lachte man gemütlich: "Ach, das sagen die Deutschen immer!"

Das änderte sich, als wir nach dem ersten Weltkrieg nicht nur das Wahlrecht kriegten, den Bubikopf und die Segelhose, sondern auch nach und nach die Mitgliedschaft in den meisten Segelvereinen. Endlich waren wir, auf dem Wasser gleichberechtigt! Die berühmteste Seglerin der Nachkriegszeit war eine Französin, Madame Heriot, die das ganze Jahr hindurch von einem europäischen Regattaplatz zum anderen zog und alle großen Preise machte. Sie hatte sich als Wohnschiff den letzten "Meteor" des Kaisers gekauft und wunderhübsch eingerichtet. Während der Regatten in Sandhamn brachte ihr ein Extra-Flugzeug aus Stockholm täglich frische Blumen zur Ausschmückung ihrer Räume.

Sie selbst, obwohl sehr reich, war äußerst einfach und dachte an nichts als Segeln. Aus Amerika kam mit einem amerikanischen Team eine junge Miß Hovey zu einem deutsch-amerikanischen Länderkampf; sie war der beste Rudergänger ihres Teams. Auch in Deutschland erwuchsen tüchtige Rennseglerinnen, u. a. die sympathische Frau Müller, Steinhude, die mit ihrer Nationalen Jolle "Meerkatze" gegen schwerste Konkurrenz Siegerin im Hamburger Senatspreis wurde. Gute Erfolge hatte durch Jahre die junge Annemarie Graßmann mit ihren Schärenkreuzern "Swonk" und "Helios". Die Bilder dieser bekannten Renngrößen gingen durch alle illustrierten Blätter, dafür sorgte ich als Berichterstatterin schon aus weiblicher Solidarität. Von der Öffentlichkeit unbeachtet, tummelten sich außerdem auf ihren größeren oder kleinen Fahrtenkreuzern begeisterte Seglerinnen. Meist waren dies Frauen, denen das Schicksal Mann und Kinder versagt hatte, und die Ersatz fanden in ihrem geliebten Boot. Wie sieht aber auch solch Damenschifflein aus? Innen und außen ein Schmuckkästchen, denn die meisten Eignerinnen kalfatern und spachteln, malen und lackieren selbst, weil es ihnen kein anderer sorgfältig genug macht. Sie machen kein Aufhebens, aber es sind mehr als man glaubt, und jeder Klub kann auf diese Mitglieder stolz sein.

Segelnde Frauen! Kann man sich heute einen Klub, einen Bootssteg, eine Festlichkeit noch vorstellen, ohne die lustig bunten Gestalten? Ausgezeichnete Rudergänger, Vorschotleute und Smutjes sind darunter, binnen sowohl als auf See. Aber leider - eines Tages sieht man die bisher so begeisterte Seglerin nicht mehr. Warum? Weil "Er" - der Mann, der Freund, der Kapitän aus irgendeinem Grund den Sport aufgegeben hat. Laß sie laufen! Das sind Nachkommen der "Seglerinnen" von 1879. Aber schon wächst ein neues Geschlecht heran. Hörte ich da neulich ein junges Ding sagen - Führerschein, obgleich erst 16, aber Seglerblut in der vierten Generation -: "I c h heirate mal nur einen, der segelt, denn ich will dabei bleiben!"



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