Winterarbeiten am Boot

Wie man's 1908 machte - aus der "Yacht" 16/1908

Die Ausführungen dieses kleinen Aufsatzes erstrecken sich auf diejenigen Winterarbeiten, die das Entfernen und Wiederaufbringen von Lack und Farbe betreffen. Alles übrige, das Aufschleppen, Reinigen, Untersuchen und Reparieren eines Bootes werden als bekannt verausgesetzt. Das schmucke Aussehen des Bootes, innen und aussen, hängt aber in der Hauptsache von einem guten, geschmackvollen Anstrich oder einer sachgemässen Lackierung von Kajüte, Aussenhaut, Deck, Aufbauten und Spieren ab, und da gerade hierin vielfach gesündigt wird, sei es aus Sachunkenntnis oder Nachlässigkeit, sollen die folgenden Ausführungen, die uns ein alter Praktiker zur Veröffentlichung zusandte, für diejenigen Segler einige lehrreiche Winke geben, die ihr Boot während des bevorstehenden Winters selbst in Stand setzen wollen.


"Gaudeamus", eine der ältesten deutschen Sonderklassenyachten


Hat man alle an dem im guten, geschützten Winterlager liegenden Boot nötig gewesenen Bauarbeiten vollendet und ist das Boot gut ausgetrocknet, so nimmt man eine trockene Reinigung des Innenschiffes vor, um den letzten Rest des eingedrungenen Sandes, abgefallene Holzteile, Sägemehl etc. zu entfernen. Zu dem Zwecke verwendet man eine scharfe Bürste oder einen Piassavapinsel, letzterer soll in 2 Exemplaren vorhanden sein, eins ohne und eins mit Stiel, damit man in alle Ecken hineinkommen kann. Mit diesen Instrumenten bearbeitet man die Bootswände recht sorgfältig, besonders die Ecken neben den Spanten und an den Einbauten, und streicht dabei immer nach dem Kiel zu, wo sich dann der dort zusammengefegte Schmutz mit Hilfe einer Ziehklinge oder eines alten Messers aufnehmen lässt. Sonstige Ueber-bleibsel tupft man mit einem feuchten Lappen auf. Auf diese Weise erhält man ein völlig staubfreies Innenschiff. Als Beleuchtungsmittel verwende man bei der Arbeit einen Kerzenstumpf, welcher auf einen kleinen Holzklotz aufgesetzt wird.

Nachdem so aller loser Schmutz entfernt worden ist, geht man an das Ausscheuern und nimmt dazu vorteilhaft heisses Wasser, in welches gutes Seifenpulver aufgelöst wird. Unter Anwendung von Bürste und Pinsel übergeht man damit das ganze Innenschiff, immer strichweise, von oben nach unten fortschreitend. Zuletzt spült man gut mit reinem, kalten Wasser nach.
Nach dieser Schlussreinigung, welche alle anhaftenden Unreinlichkeiten beseitigt, wird man erkennen, ob der Anstrich oder die Lackierung erneuerungsbedürftig sind. Alle Einbauten, Bodenbretter, Türen und Schubkästen bearbeitet man in gleicher Weise.
Das Aussenschiff nebst Deck und Aufbauten reinigt man ebenfalls mit der Seifenpulverlösung, da sich aber hier mehr Schmutz angesetzt hat, als im Innenschiffe, muss man diese Scheuerei mehrere Male vornehmen, bis alles klar ist.

Nach diesem Scheuerfest muss natürlich alles wieder schön austrocknen, inzwischen kann man die Scheuerei auf die Rundhölzer, Riemen, Haken, Staken und Bodenbretter ausdehnen. Diese Teile lässt man am besten für die kälteste Zeit zurück, da sie sich leicht im geschlossenen Räume bearbeiten lassen.

Dies wären die Vorbereitungsarbeiten zum neuen Anstrich, sofern dieser im allgemeinen gut erhalten war. Ist dies nicht der Fall, so machen sich noch weitere Bearbeitungen nötig. Als krassester Fall ist das vollständige Entfernen des Anstriches oder der Lackierung zu erwähnen. Hierzu sei bemerkt, dass man diese Arbeit nur vornehmen sollte, sofern es absolut nötig ist, d. h. wenn man glaubt, nicht anders wieder glatte, saubere Flächen herstellen zu können, denn durch diese radikale Bearbeitung, welche ausserdem eine grössere Fertigkeit erfordert, wird das Holz unfehlbar angegriffen und damit geschwächt. Trotzdem gibt es Reinigungsfanatiker, welche am liebsten jedes Jahr Farbe und Lack bis auf das rohe Holz herunterreissen. Man soll hierin aber des Guten nicht zu viel tun.

Die radikalste und am intensivsten wirkende Methode zur Entfernung von Farbe und Lack ist das Abbrennen mit Hilfe einer Lötlampe. Zur Ausübung der Arbeit sind zwei Mann nötig. Die Lampe, welche auf eine breite Flamme eingestellt werden muss, nimmt der eine, während sich der andere mit einem langstieligen Schaber bewaffnet. Beide stellen sich so auf, dass sie sich das Gesicht zukehren. Während der Lampenmann den Strahl der Lampe dicht über den Anstrich streichen lässt, bis derselbe anfängt, weich zu werden, zieht der andere diese weiche Haut, nach sich zu arbeitend, mit dem Schaber ab. Mit der Lampe muss derart geschickt gearbeitet werden, dass man das Holz nicht ankohlt oder gar Löcher hineinbrennt. Man stellt daher als Neuling besser erst Versuche an einem alten, bemalten Brett an, ehe man sich an das Boot macht.
Bei einiger Uebung kommt man mit der Arbeit schneller vorwärts, als mit jeder anderen Methode. Die abgebrannten Flächen zieht man mit dem scharfen Schaber nochmals nach und übergeht das Ganze dann mit der Ziehklinge.

Die Arbeit mit dem scharfen Schaber und der Ziehklinge erfordert ebenfalls besondere Routine. Sollen grosse, glatte Flächen, z. B. Rumpf oder Deck, abgezogen werden, so verwendet man dazu vorteilhaft grössere Schaber, deren Schneiden dem Profil der Flächen entsprechend geformt sein müssen. Kleinere Flächen bedingen kleinere, leichtere Schaber. Es gilt als Regel, dass immer in der Richtung, in der die Holzfaserung liegt, gezogen werden muss. Wollte man gegen den Strich arbeiten, so müsste man gewärtigen, dass die Schneide unter die Faser fasst und Holzspäne ausreisst. An solchen Stellen, wo Aeste oder krauses Holz vorhanden sind, verwendet man besser einen kleinen amerikanischen Hobel.

Da sich mit dem Schaber völlig ebene Flächen nicht herstellen lassen, muss man mit der Ziehklinge nacharbeiten. Die Form der Ziehklinge muss ebenfalls dem Profil der zu bearbeitenden Fläche entsprechen. Bei Booten, deren Rumpf mit Farbe gestrichen wird, ist besonders darauf zu achten, dass die Aussenhaut recht gut geglättet wird, da alle Unebenheiten nach dem Anstrich sehr deutlich sichtbar werden. Wer keine Lötlampe zur Verfügung hat, muss sich darauf beschränken, Lack oder Farbe mit dem Schaber allein zu entfernen, welche Arbeit zu einer grossen Geduldsprobe wird, wenn die Schichten dick aufliegen. Wie schon gesagt, sollte man vermeiden, mit dem scharfen Schaber zu arbeiten, da dabei immer erhebliche Schwächungen des Materials durch abgezogene stärkere Holzspäne unveimeidlich sind.

Handelt es sich darum, mit Farbe gestrichene Flächen zu glätten, so sollte man davon absehen, die ganze Farbschicht herunter zu reissen. Man kann dasselbe Resultat viel einfacher dadurch erreichen, dass man die Flächen mit Stahlspänen hearbeitet. Diese Stahlspäne eignen sich vorzüglich zum Abschleifen unebener Stellen. Sie sind in jeder Drogerie billig zu haben, und zwar in verschiedenen Stärken, sodass man, je nachdem mehr oder weniger abgeschliffen werden muss, die entsprechende Sorte wählen kann. Diese Späne formt man zu faustgrossen Ballen, und bearbeitet damit die unebenen Stellen, indem man mit der Hand rotierend darüber streicht. Der Ballen muss dabei öfter in Wasser getaucht werden. Hat man erst mit groben Spänen vorarbeiten müssen, so muss man mit feinen Spänen hinterher gehen.

Will man von naturfarbig gehaltenen Booten stärkere Lackschichten entfernen, so hat man dazu neuerdings ein vorzügliches Mittel, „Soutrax" genannt. Es ist dies eine kalkartige Masse, welche man mit Wasser zu einem dünnflüssigen Brei anrührt und alsdann mit einem Pinsel aufträgt. Je nach ihrer Dicke wird die Lackschicht mehr oder weniger schnell aufgeweicht und kann dann mühelos mit einem stumpfen Schaber oder einer stumpfen Ziehklinge entfernt werden. Wenn nötig, muss man die Prozedur wiederholen. Es empfiehlt sich, immer nur kleinere Flächen zu bearbeiten, da sich der aufgeweichte Brei verhältnismässig schnell mit dem Lack zu einer festen Kruste verbindet, die dann schwer zu entfernen ist. Man muss hinterher mit warmem Wasser nachspülen, oder auch mit der Bürste oder dem Piassavapinsel nachscheuern. Es ist darauf zu achten, dass beim Einrühren der Masse keine Klümpchen zurückbleiben, da diese beim Auftragen stark ätzend wirken. Das Soutrax eignet sich vorzüglich auch zur Bearbeitung vertikaler Flächen (Aussenhaut), da der dünne Brei an denselben leicht haftet. Auch Farbeanstrich lässt sich leicht damit entfernen, nur muss man dann etwas dickeren Brei anrühren.

Ausser diesen Mitteln hat man seit kurzem auch noch Flüssigkeiten zum Entfernen von Lack und Farbe eingeführt, von welchen das „Lemmelin" wohl am bekanntesten sein dürfte.
Diese Flüssigkeiten werden mit Pinsel oder Schwamm aufgetragen und lösen den Ueberzug des Holzes verhältnismässig schnell auf, so dass man die Schichten nach und nach mit Wasser und Bürste, eventuell mittels Stahlspänen leicht entfernen kann. Das Holz ward durch die Flüssigkeit nicht angegriffen.
Die Verwendung empfiehlt sich besonders an horizontalen Flächen, während das Mittel für vertikale Flächen nicht vorteilhaft ist, da es seiner Leichtflüssigkeit wegen schnell abläuft.
Diese Flüssigkeiten würden sich gewiss noch mehr einführen, wenn die Sache bei zu entfernenden stärkeren Schichten nicht unverhältnismässig teuer würde.

Ein sehr viel gebrauchtes Entfernungsmittel ist auch Natronlauge. Dieselbe ist in konzentrierter Form im Handel und kann nur in entsprechender Verdünnung mit Wasser verwendet werden. Die Verdünnung richtel sich nach der Stärke der zu entfernenden Schichten. Sofern man beim Auftragen auf das rohe Holz kommt, ist Vorsicht geboten. Man darf die Lösung alsdann nur schwach nehmen, weil die Lauge das Holz dunkel färbt. Jedenfalls muss man nie zu grosse Flächen auf einmal bearbeiten und soll sofort mit klarem Wasser hinterherspülen, damit das Holz nicht alteriert wird.

Ist ein Boot gut erhalten worden, so kommt man auch mit gelinderen Mitteln dazu, ein gutes, glattes Aussehen zu erhalten. War das Boot noch an allen Stellen mit einem dichten Lack- oder Farbeüberzug versehen, so genügt es, wenn auch aussen mittels einer Lösung von Seifenpulver die oberste, verschmutzte Haut entfernt wird.

Sind bei naturlackierten Booten nur kleinere Stellen ohne Lack und daher etwas schwarz geworden, so genügt es, wenn diese Stellen mit Bimsteinpulver übergangen werden. Dies noch wenig bekannte aber vorzügliche Verfahren bietet den Vorteil, in kurzer Zeit blankes Holz hervorzaubern zu können, ohne dass dasselbe besonders angegriffen wird, und ausserdem bleiben die bearbeiteten Stellen durchaus glatt und frei von allen Unebenheiten.

Die Handhabung ist folgende: man nimmt ein hand-grosses Stück starker Filzplatte, falzt dasselbe in der Mitte zusammen, so dass man die offenen Seiten in die Hand nehmen kann. Die nach aussen stehende Wulst taucht man ins Wasser, danach in das Bimsteinpulver ein und reibt nun die dunklen Stellen im Holze ab, wobei man auf die umliegenden Lackschichten mit übergreift.

Das Bimsteinpulver gibt es in verschiedenen Körnungen; gewöhnlich genügt die feinste, wenn das Holz jedoch bereits etwas zu tief in die Poren hinein schwarz geworden ist, dann muss man zuerst eine stärkere Körnung nehmen.

Dies Mittel eignet sich auch vorzüglich zur Bearbeitung aller Leisten, Vorsprünge an Aufbauten etc., welche am ehesten den Lacküberzug verlieren.

Wie schon gesagt, sollte man möglichst wenig mit Schaber und Ziehklinge arbeiten und dafür mehr Stahlspäne und Bimsteinpulver verwenden, man erzielt damit bessere Resultate insofern, als die bearbeiteten Flächen stets sehr glatt bleiben und das Holz dabei am wenigsten angegriffen wird.

Nach Ausführung dieser Arbeiten verbleibt nun noch das Nachkitten aller Nähte und Risse etc. Hierbei wolle man beachten, dass bei naturfarbig gehaltenem Holze der Kitt die gleiche Färbung haben soll wie das Holz. Dagegen werden die Nähte auf Deck und an der Aussenhaut mit dem schwarzen Deckskitt gekittet.

Hat man alsdann den Bootskörper, Rundhölzer etc. in gedachter Weise bearbeitet, so kann man mit dem Auftragen des Neuanstriches beginnen; dies geschieht am vorteilhaftesten in der Reihenfolge: Innenschiff, Deck und Aufbauten, Aussenhaut; die Rundhölzer und Einbauten etc. nimmt man gelegentlich vor.

Diese Arbeiten soll man nur bei wärmerer Witterung ausführen und man muss gewiss sein, dass das Holz durch und durch ausgetrocknet ist, sonst wird der Anstrich nicht haltbar. Andererseits sollen frischgestrichene Flächen nicht den direkten Sonnenstrahlen ausgesetzt werden, da sonst Blasen entstehen.

Bei älteren Booten findet man meistens das Innenschifi unter den Bodenbretlern nur mit Firnis getränkt, während die neuen Boote fast ausschliesslich an diesen Stellen einen Farbeanstrich aulweisen. Letzteres ist jedenfalls vorzuziehen, da der Anstrich das Holz besser deckt und, da er stets hell genommen wird, leicht erkennen lässt, wo sich Schmutz ansetzt. Wo er noch nicht vorhanden, sollte man daher einen Anstrich mit Farbe vornehmen.

Wer aber bei der alten Methode bleiben will, der trage den Firnis mit dem Pinsel in dünner Schicht aut und reibe dann mit einem Leinenballen so lange nach, bis alles in die Poren des Holzes eingedrungen ist. Diese Manipulation wiederhole man mehrere Male.

Im allgemeinen soll man auch alle anderen Stellen, an welchen das rohe Holz zutage tritt, mit Firnis in gleicher Weise bearbeiten. Man verfahre dabei aber recht gründlich, wenn diese Stellen hinterher mit Lack überzogen werden sollen. Sofern der Firnis nicht völlig in die Poren eingerieben ist, sondern noch eine Haut auf dem Holze bildet, haftet der Lack nicht fest; diese Firnisschicht muss daher vorher entfernt werden, was am schnellsten mit schwacher Natronlauge erzielt wird.

Die Stellen, welche rohes Holz zeigten, müssen zunächst evtl. mehrere Male besonders überzogen werden, damit das Holz wieder gedeckt wird; dann erst nimmt man das Ueberziehen der ganzen Fläche vor. Der Ueberzug muss je nach der Stelle öfter wiederholt werden; als Regel gilt hierbei, dass rohes Holz im Innenschiff und an Aufbauten zweimal, dagegen das Deck und Aussenschiff dreimal lackiert werden muss.

Bei Anstrich mit Farbe kommt es darauf an, wie dieselbe deckt. Der beliebte weisse Anstrich der Aussenhaut muss auf rohem Holze meist viermal wiederholt werden, während bei schon vorhandenem Anstrich zweimaliges Streichen genügt.

Jeder Ueberzug muss absolut festgetrocknet sein, ehe man den nächsten aufträgt. Je länger man sich also mit Wiederholung des Anstriches Zeit lässt, desto besser.

Vor dem Auftragen einer neuen Schicht muss die ganze Fläche in vorgenannter Weise mit Bimsteinpulver abgeschliffen werden, damit der Glanz verschwindet, welcher das Anhaften der neuen Schicht beeintiächtigen würde, und glattpolierte Flächen entstehen. Das anhaftende Bimsteinpulver wird abgespült und dann mit einem feuchten Lederlappen nachgeputzt. Das Glätten des Unterwasserschiffs bewirkt man dagegen besser mit feinen Stahlspänen.

Hat man das Boot auf diese Weise gründlich überholt, so hat man im nächsten Winter halbe Arbeit, vorausgesetzt, dass im Sommerhalbjahr alles gut gehalten wurde, dazu gehört fleissiges Deckwaschen und rechtzeitige Erneuerung des Anstrichs resp. der Lackierung, ehe das Holz zutage tritt. Ferner soll niemand das Boot ohne Gummischuhe oder vorherige gründliche Reinigung der Sohlen betreten.

Die Mühe, welche man auf die Wartung des Bootes verwendet, bleibt nicht unbelohnt; man erhält damit sein Fahrzeug im Zustande derjenigen Sauberkeit, die überall wohlwollende Kritik erfährt, und man verlängert die Lebensdauer ganz erheblich. Aber last not least — man bekommt beim Verkauf für ein sauber gehaltenes Boot einen ganz andern Preis, als für ein solches, das einen vernachlässigten Eindruck macht; die besten Segeleigenschaften werden daran wenig ändern.



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