Yachten im Detail



Volksboote mit "F" (1961)

Jedesmal, wenn die 26 Nordischen Volksboote in der diesjährigen Kieler Woche segelten, wurde ich an Kieler Regatten in der Mitte der Dreißiger Jahre erinnert. Damals galten die Internationalen Sechser, die um den Felca-Preis kämpften, und die Achter — beides Olympiaklassen — als die bedeutendsten Rennkielklassen auf der Förde. Wenn diese beiden Klassen auf die Bahn gingen, folgte ihnen der ganze Troß der Begleitfahrzeuge, umlagerte die Wendemarken, die sie runden mußten, und erwartete sie schließlich mit Spannung am Ziel. Gleichzeitig segelte ein großes, international stark besetztes Feld von Drachenbooten irgendwo auf der Bahn, kaum von jemand beachtet, höchstens von denen, die ihre Freude daran hatten, daß die Drachenrümpfe in lauter bunten Farben gestrichen waren. Heutzutage folgt die Masse der Begleitboote den Drachenbooten, die um den Felca-Preis segeln und außerdem so hübsch bunte, photogene Spinnaker fahren, und den Starbooten, und irgendwo im Gelände tummeln sich allein die eine halbe Stunde vorher gestarteten „Folkeboote", die weder durch farbige Großsegel noch durch bunte, prall stehende Spinnaker auffallen.

Es spricht für die Anziehungskraft der Kieler Förde als internationales Regattarevier, daß die Dänen mit einer Flotte von zwölf hervorragenden Volksbooten, darunter fünf diesjährigen Neubauten, und außerdem zwei schwedische Volksboote zur Kieler Woche gekommen waren, obgleich sie nicht erwarten konnten, unter den zwölf deutschen Booten eine wirklich ernsthafte Konkurrenz zu finden. Im Jahre 1957 kamen zum ersten Mal sechs dänische Volksboote, die in den skandinavischen Ländern heute eine der zahlenmäßig größten und wichtigsten Einheitsklassen bilden, zur Förde, wo sie auf der Bahn auf ein einziges deutsches Boot trafen. Die dänischen Gäste hatten keinen sehr glücklichen Liegeplatz an den morschen Stegen des halb verfallenen Schilkseer Marinehafens, aber sie sind Jahr für Jahr wiedergekommen, diesmal zum ersten Mal mit den Schweden, und auch in diesem Jahr brachten sie zur Kieler Woche ein kleineres dänisches Marine-Fahrzeug als Mutterschiff nach Laboe mit, wo sie jetzt ihren Liegeplatz haben. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß dieses Marinefahrzeug eigens mit einem Fernsehempfänger ausgerüstet wurde, so daß die dänischen Volksbootsegler in dem kleinen Fischerhafen von Laboe, der sie so sehr an ihre eigenen kleinen Häfen erinnert, das Kieler-Woche-Geschehen an den Brennpunkten der Stadt Kiel gemütlich am Fernsehschirm miterleben konnten. Durch die starke Teilnahme der „Folkeboote" hat die Kieler Woche so etwas wie eine volkstümliche Komponente zurückbekommen. Die olympischen Klassen mit dem großen Aufgebot an Weltklasseseglern sind in den vergangenen Jahren auf der Förde immer stärker in den Vordergrund getreten, eine weit verbreitete internationale Klasse wie die Olympiajolle 1936 war dagegen in diesem Jahr, obgleich ausgeschrieben, überhaupt nicht vertreten. Mit den Volksbootseglern kehren diejenigen Segler zur Förde zurück, die zwar gute und leidenschaftliche Rennsegler sind, aber nicht ausschließlich, die mit ihren Booten vor allem auch Fahrtensport treiben, auf eigenem Kiel, nicht auf dem LKW, zum Regattaplatz kommen und auf ihren Booten während der Regattawoche wohnen.

Sie bildeten eine nette, fröhliche Gemeinschaft, die Volksbootsegler in Laboe. Proteste sind verpönt und tatsächlich auch nicht unter ihnen vorgekommen. An einem Tag hatte Ejnar Christensen auf Fredericia, der Vorsitzende der dänischen Volksboot-Vereinigung, zu einer Cocktail-Party auf dem neben Fischkuttern vertäuten dänischen Mutterschiff geladen, wo es ganz unkonventionell herging und man sich sofort wie unter lauter guten Freunden fühlte. Die dänischen Volksbootsegler hoffen, daß die Kieler Woche zu einem immer bedeutenderen internationalen Treffen dieser Klasse werden wird und daß bald auch in Deutschland eine Klassenvereinigung entsteht.

Die „Folkeboote" haben nicht nur in den skandinavischen Ländern, sondern auch jenseits des Großen Teiches Verbreitung gefunden. Für die Güte des Entwurfs spricht die Tatsache, daß er in Deutschland und anderswo in Karweelbauweise nachgebaut wird für diejenigen, die geklinkerte Boote nicht lieben. Inzwischen hat auch das klassengerechte, geklinkerte Volksboot bei uns immer mehr Freunde gefunden, wohl nicht zuletzt auch, weil es immer noch ein recht preiswertes Fahrzeug ist.

Die dänischen Volksboote, die diesmal nach Kiel gekommen waren, belegten die ersten 8 Plätze der Gesamtwertung. Hier machten sich die längeren Trimmerfahrungen der Dänen bemerkbar. Die dänischen Boote — alle sehr gepflegt — waren sowohl für Rennen als auch für Wanderfahrten wesentlich besser ausgerüstet und eingerichtet. Am erstaunlichsten war aber zweifellos die Tatsache, daß eines der am besten gebauten und schönsten Boote ein Selbstbau war, und zwar nicht von einem Fachmann, sondern von einem Zahnarzt in Svendborg. Zusammen mit zwei Kameraden baute er sein Boot in 18 Monaten, ohne die Hilfe einer Werft in Anspruch zu nehmen. Aus einem alten Waschkessel bauten sie selbst den Dampfkasten zum Dämpfen der Hölzer für die drei Boote. Jeder mußte rund 3000 Nieten einziehen. Die härteste Arbeit war das Herrichten der Masten. Sicher war der junge Svendborger Zahnarzt glücklich, als er wieder den leichteren elektrischen Bohrer in die Hand nehmen und statt Nieten einzuziehen, nur noch Zähne zu ziehen und Plomben zu füllen brauchte, aber sein Boot, auf das er mit Recht stolz war, hatte ihn nur 16 000 Dänenkronen (der Preis für das fertige Volksboot liegt in Dänemark zwischen 25 000 und 26 000 Kronen) gekostet.

Überraschend war an den dänischen Booten die Verschiedenartigkeit der Einteilung in der Kajüte und der Einrichtung in der Plicht. Zum Teil waren vier feste Schlafplätze vorhanden. Die „Raffinessen" der dänischen Boote erschöpfen sich keineswegs in geschickt angeordneten Schotwinschen, wirksamer Großschotführung und Einrichtungen für das Anbringen des Baumes zum Ausbauen der Fock. Vor allem war interessant, wie zweckmäßig für Fahrtensegeln die Plicht und die Inneneinrichtung gestaltet waren.

1. Auch auf den Nordischen Volksbooten wird in den Rennen mit lebendem Ballast gearbeitet. 2. Blick in das Vorschiff eines diesjährigen dänischen Volksboot-Neubaues. Neuartig sind die schrägen Borde. 3. Der Gemütlichkeit auf Wanderfahrt dienen auf diesem dänischen Neubau Klapptische mit Schlingerleiste in der Plicht. 4. Für eine wirksame Großschotführung wurde auf diesem dänischen Boot ein Reitbalken in der Plicht eingebaut. Links ein wegklappbarer Sitz.

5. Eines der neuen dänischen Boote, die nicht nur sehr sorgfältig, sondern geradezu ausgesprochen elegant ausgerüstet sind. Ein Reitbalken in der Plicht erlaubt es, den Fußblock der Großschot beliebig zu verstellen. Der Sitz des Steuermannes ist mit hellem Kunststoff gepolstert. Das Ka-jütschiebeluk besteht aus Plexiglas. 6. Plicht eines Volksbootes mit hochklappbarem Sitz. 7. Stählerner Sockel mit Schiene und Curryklemme für die Großschotführung. Der Holzsockel für die Winsch ist unzweckmäßig.

Drei weitere Beispiele für die Großschotführung und die Aufteilung und Einrichtung der Plicht im Volksboot. Wenn die modernen dänischen Boote sich auch im besten Regattatrimm befinden und nichts vergessen ist, was sie schnell machen kann, derselbe Wert wird gerade auch bei den diesjährigen Neubauten auf eine komfortable Ausstattung in der Plicht und in der Kajüte für Langfahrten gelegt.

Drei Möglichkeiten von vielen für die Gestaltung des Vorluks auf einem Nordischen Volksboot. Oft wird das Luk durch ein Waschbord mit dem Kajütaufbau verbunden, wodurch sich ein Platz für die Tampen der Fallen ergibt. In der Mitte ein Vorluk aus Plexiglas.

Dänische und schwedische Volksboote auf dem Vorwindkurs in der diesjährigen Kieler Woche. Kostspielige Spinnaker gibt es in dieser Klasse nicht; vor dem Wind wird die Fock wie bei den Piraten ausgebaumt.

Zwei andere Beispiele für die Großschotbefestigung im Volksboot. Auf den weitaus meisten Booten wird ein Sockel, ähnlich wie auf den Drachen, verwandt.

Diese Aufnahmen der Mast-Ausrüstung von neuen, an der diesjährigen Kieler Woche beteiligten Volksbooten zeigen, wie sehr dieses Fahrtenboot in den nordischen Ländern in Regattatrimm gebracht worden ist: Schiene am Mast für den Baum zum Ausbäumen der Fock, Platten-Großbaum mit Niederholer, Fallwinden am Mast. Alles, was es an neuen Beschlägen gibt, wird verwandt.



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