Yachten im Detail



"Im alten Stil" (1965)

Die ersten Sportboote, die „Lustyachten", wie sie damals hießen (die Dänen bezeichnen sie noch heute als „Lustkutter"), waren lediglich verkleinerte und etwas luxuriöser eingerichtete Berufsfahrzeuge. Die großen Schiffe wurden bis ins letzte kopiert und vor zweihundert Jahren sogar mit kleinen Kanonen ausgestattet, die richtig schießen konnten. Auch heute noch gibt es Sportsegler, die ihr kleines Sportboot nur als die verkleinerte Ausgabe eines richtigen Seeschiffes ansehen, auf dem sie Kapitän spielen möchten, was ihnen aus irgendwelchen Gründen als Lebensberuf versagt geblieben ist. Noch überall in der Welt segeln Yachten, die auf die alte Art getakelt und auf die alte seemännische Art ausgerüstet sind, ohne chromblitzende Schotwinschen, ohne Großsegelrutscher, ohne Kunststoffblöcke und ohne Gummistrippen. In Amerika werden für Liebhaber der alten Segelschiffahrtstraditionen ganze Yachten im alten Stil neu gebaut und entsprechend ausgerüstet, mit Heckkajüten im Stil des ausgehenden 18. Jahrhunderts und sogar mit stilechten Sitzbadewannen aus Holz, den „Tubs" wie sie Admiral Nelson vor der Schlacht von Trafalgar benutzte. Es gibt keine zwingenden Vorschriften darüber, wie eine Yacht, die nicht zu den offiziellen Sportbootklassen gehört, aussehen und ausgerüstet sein muß. Sportsegeln ist schließlich ein Hobby, in dem jeder nach seiner Fasson und seinen finanziellen Mitteln selig -werden kann und darf.

Aber auch die leidenschaftlichen Liebhaber alter Schiffe und alter Seemannschaft rüsten eine Yacht im alten Stil nicht historisch genau nach alten Vorbildern aus. Sonst müßten sie zum Beispiel Blöcke aus Eschen- oder Eichenholz mit Scheiben aus hartem Buchsbaum-Holz verwenden, die mit einem herumgelegten Stropp mit einem Auge darin befestigt werden. Über die Pflege dieser Blöcke heißt es in einem alten Segler-Handbuch. „Die Blöcke einer Yacht sollten mindestens jedes Jahr einmal versehen werden. Zu diesem Zwecke entfernt man den Stropp, nimmt den Block auseinander beseitigt den etwaigen Rost von dem Bolzen und der Buchse (durch Abklopfen) und schrapt das Gehäuse sowie die Scheibe mit einem scharfen Messer oder Stückchen Glas vollkommen glatt. Darauf reibt man den Bolzen sowie die Buchse (und die Seiten der Scheibe) mit Pottlot ein, setzt den Block wieder zusammen und ölt das Gehäuse. Ist das Öl ordentlich eingetrocknet, so legt man den Stropp um oder spleißt den Block wieder ein." Um stilgerecht zu bleiben, müßte man die Fallen an den Segeln nicht mit Bolzenschäkeln, sondern mit offenen Eisenhaken befestigen, die jedesmal mit einem Bändsel zugebunden, „bemaust" werden müßten, damit das Segel nicht aus dem Haken herausspringen könnte. Statt Spannschrauben müßten zur Befestigung der Wanten nur Reeps mit Jungfern verwendet werden.

Auch die Liebhaber der Segelschiffsromantik werden nicht nachweisen können, daß die alten Beschläge besser sind als die heutigen. Die Grenze zwischen alt und modern ist außerdem schwer zu ziehen. Patentreffs für Yachten gab es schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Auch die Verwendung von Spannschrauben anstelle von Jungfern und Dodshoften zur Befestigung der Wanten auf Yachten ist schon mindestens hundert Jahre alt, älter jedenfalls als die Verwendung geschlagener oder geflochtener Baumwollschoten anstelle von Hanfschoten. Uralt sind zum Beispiel auch Schwertwinschen, und die Fortschritte, die in ihrer Konstruktion im Laufe von hundert Jahren gemacht wurden, sind nicht überzeugend. Andererseits ist eine Reihe Beschläge der guten alten Segelschiffszeit vollkommen verschwunden, die höchst unzureichend und sogar gefährlich waren wie etwa die Doppelhaken, die treffend als „Teufelsklauen" bezeichnet wurden, und mit denen man das Fall am Segel befestigte, um sich das schon erwähnte, bei einteiligen offenen Haken nötige „Bemausen" zu ersparen. Noch vor dreißig Jahren waren diese „Teufelsklauen" allgemein üblich. Aber obgleich zum Beispiel Wanten nicht mehr mit Reeps befestigt werden, gehört es zur Seemannschaft eines guten Seglers, daß er jederzeit nach dem Bruch eines Wantenspanners die Want richtig und haltbar auch mit einem Reep festmachen kann. Daß man weiß, wie die Alten sich ohne unsere heutigen Hilfsmittel und Einrichtungen „mit Bordmitteln" zu helfen wußten, gehört eigentlich zum notwendigen Wissen eines erfahrenen Seglers, das jeden Tag nützlich werden kann. Schließlich hat sich die See in den etlichen tausend Jahren der Schiffahrtsgeschichte und in den zweihundert Jahren Sportsegeln nicht im geringsten geändert und stellt Seeleute und Segler immer noch vor dieselben Situationen. Allerdings sind die Yachten im Laufe ihrer konstruktiven Entwicklung immer schneller und auch seetüchtiger geworden, und ihre Bedienung wurde immer mehr vereinfacht. In den ersten Jahrzehnten der Kieler Woche waren Takelage-Havarien auf den großen Yachten an der Tagesordnung. Sie widerlegen die Auffassung mancher Romantiker, daß die Ausrüstung der Yachten in der guten alten Zeit solider und fester war Aber es war eine seemännische Kunst, die Yachten früherer Zeiten mit ihren großen Segeln und ihren schweren und oft überlangen Bäumen zu bedienen, nur mit Tal Jen und Muskelkraft. Es war eine andere Welt als das Segeln etwa mit modernen 12-m-R-Yachten, auf denen zwei Mann rasch mit einer halbhohen „Coffeegrinder-Winsch" mit drei Gängen die Schoten der gewaltigen Vorsegel herankurbeln. Segeln kann man schnell und langsam, auf alte und moderne Art, und man kann verstehen, daß immer wieder Freunde guter alter Seemannschaft Freude daran haben, noch im alten Stil auf alten Yachten mit Gaffelsegeln und den vielen Taljen und Klappläufern zu segeln, und daß sie sich sogar eine neue Yacht nach alten Vorbildern bauen lassen.

1 - Vorschiff der 1879 gebauten 13,15 m langen Yacht „Kong Bele", eines ehemaligen dänischen Zollkutters, mit Klüverbaum und „Beting" Eine Beting ist der mit Pollern verbundene hölzerne Unterbau unter dem Binnenende des Klüverbaumes. Die den Klüverbaum seitlich stützenden Bugstage sind „ausgewebt" so daß sich unter dem Klüverbaum ein Netz ergibt. Ganz links an einem der Spanten des Schanzkleides eine einfache 2 - Beleg-klampe aus Hartholz.

2 - Blick auf Mast und Kajüt-Stirnwand von „Kong Bele" Vor dem Mast der Leitwagen für die Baumfock. An den Enden des Leitwagens sitzt als Anschlag für den Fockschotblock je ein „Türkischer Bund", einer der seemännischen Zierknoten. Auf modern ausgerüsteten Yachten benutzt man für den gleichen Zweck Gummi. Neben dem mit einer Segeltuchmanschette abgedichteten Steckmast sind praktische Kästen für seemännisches Inventar, Leinen, Fender, Persenninge und Leinen angebracht.

3 - Spitzgatt-Heck des „Kong Bele" mit dem Leitwagen für die Großschot. Auch hier sind als Anschlag für den Großschotblock Türkische Bunde auf dem Leitwagen aufgesetzt. Rechts eine der auf ein Spant aufgesetzten Belegklampen aus Holz, die einfach und zweckmäßig sind. Der ehemals gaffelgetakelte „Kong Bele" bekam zwar ein modernes Hochsegel, aber die alten Beschläge wurden nur zum Teil durch moderne ersetzt, die alten, praktischen Einrichtungen an Deck wurden beibehalten.

4 - Eine alte dänische Kutteryacht mit glattem, nur durch ein Oberlicht und ein Vorluk unterbrochenem Deck mit runder Plicht und einem kleinen Deckshaus. Die Yacht ist noch mit einem Gaffelsegel ausgerüstet. Großbaum und Gaffel bestehen noch aus Vollholz. Das Segel ist daran nicht mit Schienen und Schlitten, sondern noch auf die alte Art mit einer Reihleine mit „Marlschlag" befestigt, „angereiht"

5 - Die in Svendburg beheimatete, ketchgetakelte dänische Yacht „Silvana" ist noch fast ganz im alten Stil ausgerüstet. Boote dieses Typs, die als Zoll- und Lotsenkutter oder als kleine Frachtsegler Verwendung fanden, bezeichnet man in Dänemark als „Jachten" Wenn sie als Sportfahrzeuge Verwendung finden, nennt man sie in Dänemark „Lustkutter"

6 - Das Vorschiff der „Silvana" aus Svendborg mit Beting, einer alten horizontalen Anker-winsch. dem Klüverbaum mit Ausholring und Wasserstag. Der Stockanker hängt am hölzernen „Fischdavit"

7 - Das Spitzgatt-Heck der „Silvana" mit dem schweren Hängeruder. Die Ruderpinne ist eine zu einem Handgriff hochgebogene Eisenstange. Der Rudergänger steht in der kleinen Steuermannsplicht, die durch einen Lukendeckel verschlossen werden kann.

8 - Hinter der geräumigen Kajüte der „Silvana" liegt eine tiefe Plicht mit Stehtiefe. Die Wanten des Besanmastes sind ohne Spannschrauben, sogar ohne Verwendung von „Jungfern", einfach mit Reeps festgemacht. Vor dem Besanmast befindet sich der eiserne Leitwagen für die Großschot. Rechts der an den Wanten angebändselte Spinnakerbaum, Die Fallen werden am Mast an hölzernen Klampen belegt.

9 - Eine „Nagelbank" zum Festmachen von Leinen und Fallen befindet sich nur noch selten auf modernen Yachten, wo die Fallen für Großsegel und Vorsegel an den Trommeln der Fallwinschen befestigt sind oder an kleinen, am Mast angebrachten Belegklampen festgemacht werden. Das Bild zeigt eine Nagelbank auf der amerikanischen Yacht „Black Watch" wo sie sich wie früher auf großen Segelschiffen üblich zwischen den Wanten befindet. Die vier Messingbolzen, die in die Nagelbank eingesteckt sind, heißen „Belegnägel" oder „Koffeynägel" Die Seereling hat hier die Form eines hölzernen Geländers. Obgleich die 1958 gebaute Yacht im alten seemännischen Stil ausgerüstet wurde, hat der Eigner auf die alten Reeps [dünne Taue, die mehrmals durch die eingespleißten Augen der Wanten gezogen werden, siehe Bild 11) zum Festmachen der Wanten verzichtet und Wantenspanner anbringen lassen, die sich genauer einstellen lassen und die hier mit Kunststoff-Klebestreifen zugeklebt sind.

10 - Blick auf das erhöhte Achterdeck der Yacht „Black Watch" Die hölzerne Seereling, der hölzerne Poller links neben der Relingstütze und die hölzernen Handleisten zum Festhalten sind nach alter Art ausgeführt, auch die Windhutze ist derb und „schiffsmäßig" nicht elegant und „yachtmäßig", aber eine Reihe moderner Errungenschaften konnte der Eigner nicht entbehren: einen modernen Kompaß, einen modernen Dieselmotor und Radsteuerung mit Schraubensteuerapparat, die sich in dem gleichzeitig als Sitz für den Rudergänger dienenden hölzernen Kasten befindet. Die Radsteuerung ist leichter zu bedienen als die früher auf Schiffen dieser Größe verwendete Ruderpinne. Bei der „Black Watch" handelt es sich um eine rund 18 m lange Yacht, die sich ein amerikanischer Segler auf einer kleinen dänischen Werft bauen ließ, wo man noch den Bau der kleinen hölzernen Segelschiffe versteht, die mehr als hundert Jahre lang ausschließlich die fünfhundert Inseln des dänischen Inselreiches miteinander verbanden, bevor man größere Fährschiffe und schließlich Straßenbrücken baute. Die Yacht bekam die bewährte Form der dänischen Schiffe und die alte Takelage ohne moderne Winschen. Trotzdem lassen sich alle Segel mit Hilfe von Taljen und Klappläufern nach alter Art von einem Mann allein ohne übermäßigen Kraftaufwand — wenn auch nicht sehr schnell — bedienen, so daß der Eigner seine Yacht wie ein dänischer Küstenschiffer im vorigen Jahrhundert nur mit Hilfe seiner Frau allein segeln kann.

11 - Klüverbaum einer noch auf alte Art getakelten Yacht. Die Klüverstage sind nicht mit Spannschrauben, sondern mit Reeps an dem auf der Nock des Baumes sitzenden Eisenring befestigt. Seitlich wird der Klüverbaum durch Bugstagen aus Draht gehalten, nach unten wird der durch das aus einer Kette mit Spannschraube bestehende Wasserstag abgestützt. Da es zu schwierig wäre, den Klüver vorn am Klüverbaum einzuschäkeln und mit Stagreitern am Vorstag festzumachen, benutzt man einen „Ausholring" der mit dem angeschäkelten Klüverhals nach vorn und zum Bug geholt werden kann. Der Ausholer läuft vorn über eine in den Klüverbaum eingesetzte Rolle. Diese Rolle, die den Klüverbaum schwächte, war nicht selten der Grund, daß er an dieser Stelle brach. Um das Setzen des Klüvers zu beschleunigen, wurde früher der Klüverhals am Ausholring nicht angeschäkelt, sondern einfach eingehakt. Der am Bug eben über der Wasserlinie befestigte Wasserstag wurde gewöhnlich mit einer Streckertalje versehen, damit man ihn jederzeit stärker durchsetzen, aber auch ganz einholen konnte, wenn er beim Ankern oder beim Anlegen störte.

12 - Das Vordeck der „Black Watch" Bei aller Vorliebe für den alten seemännischen Stil hat der Eigner statt einer altertümlichen Ankerwinsch für Handbetrieb lieber eine elektrische Winsch einbauen lassen. Vor der Winsen zwei solide Kettenstopper. Die beiden übrigens modernen — Anker werden in Klüsen gefahren, so daß das Ankern und das Aufholen des Ankers von einem Mann allein besorgt werden kann. Wie auf alten Schiffen üblich, steht auch hier an Deck ein Kasten, in dem sich seemännisches Inventar unterbringen läßt, das man ständig an Deck braucht.

13 - Eine alte Ankerwinsch mit gewaltigen Kammrädern auf einer größeren dänischen Yacht, davor zwei hölzerne Poller. An der Winsch ist der Fock-baum befestigt. Hier hat auch die Nebelglocke ihren Platz gefunden.

14 - Blick auf das Vordeck einer großen dänischen Ketch mit dem eisernen Leitwagen für die Fockschot der Baumfock, der im Bogen um das Vorluk herumgeführt ist. Moderne Yachten besitzen statt des Leitwagens gewöhnlich eine Schiene mit Schlitten. In dem großen Kasten werden die Persenninge für die Segel und das Tauwerk untergebracht. An einer der Spanten eine hölzerne Belegklampe.

15 - Kasten zur Aufnahme von Festmacheleinen auf dem Kajütdeck einer größeren dänischen Yacht. Der Vorteil solcher von alten Yachten übernommenen Tauwerk-Kästen an Deck liegt darin, daß die Leinen richtig aufgeschossen an Deck untergebracht werden können, wo sie nicht nur jederzeit zur Hand sind, sondern auch, wenn sie naß geworden sind, trocknen können. Man braucht sie weder naß unter Deck zu verstauen noch zum Trocknen an Deck festzubinden.

16 - Blick auf das Achterdeck der amerikanischen Yacht „Black Watch" Der Besanbaum, der auf einem Galgen aus Stahlrohr aufliegt, ist ebenso wie der Mast der Yacht noch ein richtiges Rundholz, während auf den meisten heutigen Yachten statt der früheren Vollholz-Spieren nur noch hohle, zusammengeleimte, „gebaute" Masten und Groß- und Fockbäume benutzt werden, die leichter und stärker sind, und denen Masten und Spieren aus Leichtmetall den Rang abzulaufen beginnen. Die Besanschot mit soliden, aber modernen zwei-scheibigen Holzblöcken gleitet auf einem derben eisernen Leitwagen. Eine Schotwinsch gibt es nicht. Auf dem Deckshaus befindet sich die Schiffsglocke in der Nähe des Rudergängers.

17 - Der Bugspriet der zu einer Spreizgaffel-Ketch umgetakelten Bremer Hochseeyacht „Senta", der in alter Art solide getakelt ist. Das Eisenband, mit dem die Bugspriet-Spiere am Bug festgehalten wird, ist die „Brille" Der Fockbaum ist unmittelbar am Vorstag festgemacht, der zweite Block von links dient der Führung der Fockschot. Die Bugstagen sind ausgewebt und werden am Bug an jeder Seite durch eiserne Querstage abgespreizt. Die Spannschrauben für die Klüverstage liegen auf der Bugspriet-Spiere.

18 - Fockstag und Klüverbaum auf der größten deutschen Segelyacht, dem Schoner „Ashanti IV" Das Bild zeigt die Befestigung der Fock am Vorstag. Wenn eine Baumfock mit Stagreitern unmittelbar am Fockstag festgemacht wird, läßt sich das untere Ende nicht vollständig niederholen, weil das Unterliek am Fockbaum festgemacht ist und sich dadurch strammt. Daher werden nur in den oberen drei Vierteln der Fock Stagreiter angebracht. Im unteren Viertel zieht man einen Draht durch je zwei Augen am Vorstag.

Autor: G. Grell



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