Yachten im Detail



Ausholvorrichtungen

Ein Laie kann sich kaum vorstellen, wie viel Kunst und Raffinesse dazu gehört, ein Großsegel so zuzuschneiden und zu nähen, mit schmalen oder breiten oder strahlenförmig vom Schothorn ausgehenden Bahnen, daß es nachher eine aerodynamisch wirksame, an einen gewölbten Vogelflügel erinnernde Form, je nach dem Wunsch des Seglers, bauchig oder flach, hat. Besonders, wenn man ein Rennsegel flach auf dem Boden ausbreitet, erkennt man, daß die drei oder vier Seiten des Segels, die "Lieken", keineswegs so gerade sind, wie es den Anschein hat, wenn das Segel gesetzt ist. Die Lieken verlaufen mehr oder weniger in Kurven. Diese Kurven ergeben, wenn das Mastliek und das Baumliek richtig gestreckt oder ausgeholt und das Achterliek richtig eingestellt wird, die mehr oder weniger starke Wölbung, den Bauch des Segels. Zu der Kunst des Segelmachers kommt bei Baumwollsegeln noch die Trimmkunst des Seglers. Sie sorgt dafür, daß das sich unter Einfluß von Nässe zusammenziehende, beim Trocknen und durch den Winddruck reckende Tuch die endgültige gute Form bekommt. Neue Kunststoffsegel, die sich nicht so recken wie Baumwollsegel, braucht man nicht so sorgfältig und langwierig zu trimmen, um ihnen die beste Form zu geben. Aber auch bei ihnen kommt es darauf an, die mehr oder weniger rund geschnittenen Lieken so am Großbaum einzustellen, daß die Rundung gewissermaßen in die Fläche des Segels hineingedrückt wird. Darin liegt die Bedeutung der Ausholvorrichtungen für den Rennsegler Spindelstrecker für das Schothorn erlauben es, das Unterliek jederzeit zentimeterweise zu strecken oder zu fieren. Früher wurde das Unterliek des Großsegels mit einer Reihleine am Großsegel festgemacht ("angeschlagen"). Das war etwas umständlich, daher blieben die Großsegel auch stets angeschlagen, wenn das Boot an seinem Platz im Yachthafen lag. Die Rennsegler, die je nach der Wettel"lage die Großsegel wechselten, dachten sich Verfahren aus, um die Segel schneller und zugleich besser anschlagen zu können. Heute werden sie auf fast allen Booten mit Schlitten auf Schienen am Mast und am Großbaum befestigt oder in eine Keep, eine in Mast oder Großbaum eingelassene birnenförmige Führungsrinne eingezogen. Beide Arten ermöglichen, daß das Segel fest und gleichmäßig an Mast und Großbaum anliegt, und daß das Großsegel rasch an- und abgeschlagen werden kann. Das Großsegel wird deshalb nach dem Segeln gewöhnlich sofort abgenommen. Wenn das Segel aus der Keep des Großbaumes herausgezogen ist, muß der Großbaum so umgedreht werden, daß die Keep nach unten zeigt, damit sich in der Keep kein Regenwasser ansammeln kann. Wurde das Umdrehen des Großbaumes vergessen und ist die Keep nun verquollen oder ist das Liektau zu hart oder zu dick, dann läßt sich das Unterliek nicht so leicht in die Keep einziehen. Eine Ausholeinrichtung, wie sie Bild 2 auf einem Seekreuzer zeigt, erleichtert diese Arbeit. Die Spindelstrecker können dagegen das Schothorn nur so weit ausholen, wie die Spindel lang ist. Das genügt gewöhnlich auch, wenn das Unterliek mit Schlitten auf einer Schiene am Großbaum festgemacht ist. Auf den meisten Fahrtenbooten wird das Unterliek mit einem Bändsel, das man nach hinten zieht, so gut es geht gestreckt und mit dem Bändsel auch am Nockbeschlag festgemacht. Das Bändsel strammt sich, wenn es naß wird, und reckt sich, wenn es wieder trocknet. Es muß dann gelockert oder wieder mehr durchgesetzt werden. Wenn das Bändsel naß ist, lassen sich die Knoten oft schwer lösen. Es wäre natürlich einfacher, das Schothorn an einem festen Augbeschlag mit einem Schäkel oder Bolzen festzumachen, man kann dann aber das Unterliek nicht strammer oder loser festmachen. Außerdem wird es gewöhnlich schwierig sein, das Unterliek so weit nach hinten zu ziehen, daß der Augbeschlag erreicht
wird und es in dieser Stellung so lange festzuhalten, bis der Bolzen durchgeschoben ist. Dazu gehören vier Hände. Bei einer Ausholvorrichtung kann man das Schothorn einschäkeln, ehe man es streckt.
Jedenfalls gehören Ausholvorrichtungen für das Großsegel-Unterliek zu den von den Rennseglern entwickelten Beschlägen, die auch auf reinen Fahrtenbooten nützlich sind und die Arbeit erleichtern. Anfänger und auch viele ältere Fahrtensegler, die nie die Schule des Rennsegelns durchgemacht haben, halten den guten Trimm und Stand ihrer Segel nicht für besonders wichtig. Abgesehen davon, daß schlecht gesetzte Segel mit nicht ausreichend gestreckten Vor- und Unterlieks und falschen Holepunkten für die Schoten schlecht aussehen und unsportlich sind, sie sind auch unwirtschaftlich. Die Segel verlieren ihre gute Form, ziehen nicht mehr so gut wie sie könnten, das Boot wird unnötig langsam und kreuzt vor allem nicht so gut.
Auf größeren Yachten mit längeren Großbäumen und schweren Segeln, die mit Schlitten auf der Großbaumschiene angeschlagen werden, wird manchmal das ganze Segel beim Anschlagen ausgeholt. Der Draht des Ausholers ist mit dem einen Ende an der Baumnock befestigt (11), läuft dann über eine Scheibe des Schlittens zu einer zweiten Scheibe an der Nock (10) und von dort am Großbaum entlang nach vorn, wo er entweder mit einer Talje oder mit einer Winsch durchgeholt wird. Es gibt besondere Winschen mit sehr flacher Trommel und abnehmbarer Kurbel, die seitlich am Groß baum montiert werden, für solche Ausholvorrichtungen. Für kleinere Boote und mittlere Fahrtenboote ist eine leichte Spindel-Einrichtung (bei Patentreff oder bei Bindereff), wie sie Starboote zum Ausholen haben (4, 5), zweckmäßig. Der Draht oder die Leine des Ausholers wird bei dieser Vorrichtung etwa in der Mitte des Baumes an einer kleinen Klampe am Großbaum belegt und kann jederzeit von der Plicht aus leicht bedient werden.

1. Ausholvorrichtung auf dem ll-KR-Seekreuzer "Rubin". Der Schuh für die Befestigung des Großsegel-Schothorns sitzt auf einer Spindel und wird durch Drehen mit einem kleinen, auf dem Bild nicht erkennbaren Hebel bewegt. Der Vorteil eines Spindel-Ausholers liegt darin, daß eine Feineinstellung möglich ist.

2. Ausholvorrichtung für einen kleineren Seekreuzer. Der auf einer Schiene gleitende Ausholerschlitten wird mit Hilfe einer kleinen Winde mit abnehmbarer Kurbel mit einem dünnen Draht angeholt. Großschot und Dirk sind hier übrigens an einem drehbaren Rigg des Nockbeschlages befestigt, so daß das Segel mit einem Patentreff auf dem Baum aufgerollt werden kann.

3. Durch richtiges Strecken oder Ausholen des Unterlieks bekommt das Großsegel eine aerodynamisch günstigere Form.

4. und 5. Unterliek-Ausholvorrichtung eines Starbootes von der Seite und von oben gesehen. Der auf einer Schiene gleitende Ausholerschlitten wird durch einen Draht mit Tauvorlauf bedient.

6. Ausholvorrichtung mit Spindel auf einer Yamt der Int. 5-m-Klasse. Die Kurbel ist abnehmbar. Man erkennt die Keep, in die das Unterliek des Großsegels eingezogen wird.

7. Amerikanische Ausholvorrimtung für das Unterliek mit Spindel auf einem mittleren Seekreuzer. Die Kurbel läßt sich einklappen. Der Griff verschwindet dann in der Öffnung links. Bild 8 zeigt denselben Beschlag von der Seite.

8. Dieselbe Ausholvorrichtung mit Spindel wie in Bild 7. Die Spindel ist in den Großbaum versenkt. der Ausholerschlitten ist seitlich drehbar. Auch der Großbaum selbst ist im Hals- und Nockbeschlag drehbar und kann sich dem Segel entsprechend einstellen.

9. Ausholvorrichtung mit Schlitten auf einem Seekreuzer. Der auf dem Schlitten sitzende Schuh für das Schothorn ist seitlich drehbar. Das Ausholen erfolgt wie bei dem Starboot-Ausholer (4, 5) mit einem Draht.

10 und 11. Die soliden Ausholvorrichtungen auf der Spreizgaffel-Ketch "Senta". Es ist im Prinzip die gleiche Einrichtung wie für das Starboot (4 und 5) und für den Seekreuzer von Bild 9 nur der Größe des Bootes entsprechend schwerer. 10 zeigt die Führung des Ausholerdrahtes.

11. die Befestigung am Nockbeschlag. Schlitten und Schuh für das Schothorn bestehen aus einem Stück und sind nicht drehbar. 11 zeigt, daß das Schothorn im Schuh durch Durchstekken eines mit einer Kette am Schlitten befestigten Klappbolzen festgemacht wird.



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