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Fundstück: Über kleine Kreuzeryachten - 1922

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Von Dr. Ing. Max Oertz, 1922

Für Tagesfahrten, wie sie im Gebiet der Niederelbe so häufig vorkommen, bedarf es vielfach keiner so großen und kostspieligen Kreuzerjacht, sondern es genügt schon ein kleineres Fahrzeug, wenn es zweckmäßig konstruiert ist.

Gewiss bietet eine größere Jacht mehr Bequemlichkeit unter und auf Deck, aber die hohen Anschaffungs- und Erhaltungskosten sprechen heute ein gewichtiges Wort mit, kostet doch ein bezahlter Bootsmann im Jahr so viel wie früher die Anschaffung einer ganz ansehnlichen Kreuzeryacht mit allem Inventar. Die kleinere Jacht kann von begeisterten Amateuren leicht bedient und in Ordnung gehalten werden, ermöglicht das Aufsuchen von Gegenden, die der größeren Jacht oft nur bei sehr günstigen Tideverhältnissen zugänglich sind, gestattet beim Kreuzen ein längeres Aushalten der Schläge unter Land und kann, falls sie einmal festkommt, durch schnelles Trimmen und Überkreuzen vielfach wieder abgebracht werden, ohne die nächste Tide abwarten zu müssen. Anzustreben ist bei der Konstruktion einer solchen Jacht nur, daß sie trotz ihrer geringen Größe ein möglichst hohes Maß von Sicherheit und Seetüchtigkeit hat, dabei leidlich bequem und schnell ist und ästhetisch wie eine "Jacht" wirkt, nicht aber wie eine Wohnung auf irgend einem "schwimmenden Untersatz".

"Was man nicht definieren kann, das sieht man als 'nen Kreuzer an." Derartige undefinierbare Fahrzeuge sieht man leider ziemlich häufig, ja, manche stehen als "Kreuzer" in um so höherem Ansehen, je langsamer, plumper und hässlicher sie sind.

Ein sehr schweres, massiges Boot wird immer ein verhältnismäßig großes Segelareal erfordern, um bei den durchschnittlich leichten Winden noch leidlich schnell zu sein. Eine große Segelfläche mit ihren entsprechend schweren Spieren ist aber in der Bedienung unhandlich und paßt nicht zu der Gemütlichkeit, die das Merkmal eines guten Kreuzers sein sollte.

Es folgt daraus, daß man mit der "Dicke" und Schwere des Rumpfes nicht zu weit gehen, sondern die natürliche Stabilität, die auch bei kleinerem Deplacement durch eine gute Breite erzeugt wird, ausnutzen soll. Ein solches in maßvollen Grenzen gehaltenes Fahrzeug kommt dann mit einer kleineren und handlicheren Besegelung aus und, was wichtig ist, auch mit einem kleineren Tiefgang.

Durch zu großen Tiefgang wird überhaupt viel gesündigt. Bei richtiger Wahl der Verhältnisse und Lage der Schwerpunkte kann man auch mit einem weniger tiefen Boot vorzüglich kreuzen, bekommt aber durch größere Lebendigkeit und namentlich erheblich bessere Geschwindigkeit auf allen neueren Kursen. Gerade bei kleineren Booten sollte auf gutes Raum-Laufen besonderer Wert gelegt werden, damit sie sich bei zunehmender Brise nicht "festbuddeln" und Seen von achtern übernehmen. Das Geheimnis der Seetüchtigkeit der primitiven kleinen offenen Fischerboote der Ostseeküste liegt in ihren guten Raumschoots-Eigenschaften, die durch den geringen Tiefgang, ausfallende Spanten und ein im Vergleich zu der geringen Verdrängung gutes Reservedeplacement erzielt werden. Sie stellen in dieser Hinsicht ein Extrem dar, dem keinesfalls das Wort geredet werden soll; andererseits aber bekommen dicke, gedrungene und tiefe Boote, womöglich mit einem schweren Mast in der Nase, bei See ein starkes, längsgerichtetes Pendelmoment, von dem man nicht voraussetzen darf, daß es mit der jeweiligen Wellenperiode immer harmoniert. Sie werden dann Schaukelpferde. Das brauchbare Kompromiss für eine gute Kreuzeryacht liegt etwa in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen.

Bei einer Wasserlinienlänge von ca. 6 m kann man einen für die Niederelbe noch sehr gut brauchbaren Kreuzer mit ca. 1 m Tiefgang schaffen. Eine größte Breite an Deck von ca. 2,15 m bei einer Gesamtverdrängung (beladen) von ca. 2,5 cbm ergibt reichliche Stabilität, um ca. 35 qm Segelareal zu tragen. Bei einer Breite in der Wasserlinie von ca. 1,95 m erhalten die Mitschiffsspanten eine gute Ausladung, um ein trockenes und markiges Boot zu gewährleisten. Bei nicht zu vollen vorderen Linien sollte der Überhang von 1,2 m nicht überschritten werden, während der hintere Übergang, falls die Hecklinien nicht allzu fach verlaufen, ruhig 1,5 m lang sein kann, um den Großbaum besser bearbeiten zu können. Aus diesem Grunde ist von einem Spitzgatt bei einem so kleinen Boot besser abzusehen. Ein geringster Freibord von 55 - 60 cm sichert bei nicht zu großem Sprung noch ein schnittig aussehendes Fahrzeug, das mit einer sehr bequemen Sitzkajüte ausgestattet werden kann und außer Schränkchen 2 schöne Schlafgelegenheiten und im Vorschiff eine "Hundekoje" besitzt.

Ein derartig stabiles und mit großem Reservedeplacement versehenes Boot wird im Hinblick auf seine Raumschoots-Eigenschaften kaum der Gefahr ausgesetzt sein, durch eine See von achtern überrannt zu werden. Ein bequemes, offenes, tiefes Cockpit, das 5-6 Menschen beherbergen kann, bietet daher kaum eine ernstliche Gefahrenquelle, einem wasserdichten Kockpit gegenüber aber den Vorteil des geringeren Windfangs der Insassen und eines behaglichen, trockenen und sicheren Aufenthalts. Probatum est.

Bei den Tagestouren, um die es sich auf der Elbe meistens handeln wird, ist das Kockpit der begehrteste Raum, der denn auch bequem und praktisch ausgestattet werden sollte. Steife Glieder brauchen nicht immer Begleiterscheinungen einer längeren Segelfahrt zu sein; sonst könnte der Begriff "Kreuzer" von dem lahmen Kreuz der Insassen abgeleitet erscheinen.