2 Werften Starboote

Geschichtliches

Neuerungen und Verbesserungen an meiner Rennjolle "Aero"

Von Dr. Manfred Curry

Während des vergangenen Sommers habe ich eine Anzahl von Einrichtungen auf meinem 20er ,,Aero" ausprobiert, um deren Veröffentlichung ich gebeten wurde. Zusammenfassend möchte ich vorausschicken, daß ich die Handhabung des Bootes durch die Anwendung der nachfolgenden Einrichtungen bedeutend erleichtert habe und hierdurch in der Lage war, mit einem scheinbar komplizierten Rennboot schneller und praktischer zu manövrieren als es mit manchem primitiv ausgerüsteten Boot möglich ist.

Die Bremse: Seit drei Jahren ohne Reparatur in Anwendung, hat sich glänzend bewährt. Ich möchte ebenso wenig ein kleines Rennboot ohne diese Vorrichtung fahren wie einen Wagen ohne Vierradbremse. Die Handhabung des Bootes wird einerseits bedeutend erleichtert, andererseits lassen sich auch im Rennen viele schwierige Manöver, z. B. am Start und bei Bojenwendungen, mit größter Sicherheit ausführen. Die Bremse ist bis jetzt bei etwa 20 Booten eingebaut und ausprobiert worden. Die Besitzer waren damit in jeder Weise zufrieden.

Einstellung des Ruderblatts mittels Handgriff: In gleicher Art wie die Bremse durch einen auf der einen Seite des Schwertkastens angebrachten Griff getätigt wird, verwende ich einen auf der anderen Seite des Schwertkastens angebrachten Griff für die Einstellung des Ruderblattes. Dieser Hebel ist durch einen unter den Bodenbrettern laufenden Drahtzug mit dem Ruderblatt in Verbindung und kann in jeder beliebigen Stellung mittelst Arretiereinrichtung eingestellt werden. Man ist hierdurch in der Lage (z. B. bei Kurswechsel) mit einem einzigen Griff das Ruderblatt in die Stellung zu bringen, welche bei dem augenblicklichen Kurs bei geringster Oberflächenreibung im Wasser doch noch die nötige Steuerwirkung ergibt. Durch die Stellung des Hebels ist die Stellung des Ruderblatts gekennzeichnet. Bei der üblichen Leineneinrichtung muß man sich umdrehen, an dem Seil ziehen, dieses losnehmen und an der Klampe wieder festbelegen, ohne aber auch dann genau zu wissen, wie weit das Ruderblatt nun eintaucht. Man steigt bei einem 20er gewöhnlich aufs Heck, um sich davon zu überzeugen, ob das Ruder nun weit genug oder eventuell zu weit heraufgezogen worden war.
Für die Bedienung des Steuerblatthebels genügt ein Griff und man ist in der Lage, bei jedem Wechsel des Kurses oder jeder Änderung der Windstärke in einer Sekunde das Steuerblatt neu einzustellen. Die Einrichtung kostet so gut wie nichts.

Wasserdichter Verschluß der Steuerschlitze: Da es mir in Cowes und auch auf größeren Seen bei stürmischem Wetter passiert ist, daß bei hohem Wellengang das Wasser durch die Steuerschlitze im Heck eindrang und hierdurch das Boot langsam vollief, versuchte ich zweierlei Methoden, um den Schlitz wasserdicht abzuschließen. Bekanntlich bewegen sich die Steuergestänge in dem Schlitz hin und her, worauf bei der Konstruktion Rücksicht genommen werden mußte. Zuerst wurde eine Art selbstlenzendes Kästchen beiderseits eingebaut, das an dem äußeren Ende den Schlitz als Öffnung hat, und an seinem inneren Ende durch Gummi in beweglicher, aber wasserdichter Verbindung mit dem Gestänge steht. Die Einrichtung funktionierte gut. Die einfachere und bessere Konstruktion bestand aus zwei mit einem Loch versehenen Messingplattcn. die sich in einer Führung mit dem Gestänge seitlich verschieben und durch die der Schlitz bei jeder Stellung der Gestänge geschlossen ist. Die Einrichtung wurde, wie alle anderen, nach meinen Angaben von der Bootswerft Mitterer / Riederau am Ammersee ausgeführt.

Neue Klemmeinrichtung an Stelle der Klampen: Geradezu glänzend bewährten sich die in Amerika entdeckten sog. "Bulldog jam cleats". Wie das Wort schon sagt. handelt es sich um eine Klemmeinrichtung für Schoten, die ich für meine Großschot sowohl wie für meine Vorschoten ausnahmslos verwende. Es ist dies die einzige Lösung einer sicheren Klemmöglichkeit, die mit einer einzigen Bewegung wieder zu lösen ist und welche die Taue an der Klemmstelle nicht beschädigt. Die Schoten laufen durch diese Klemmen und bleiben automatisch stehen, soweit man sie einzieht. Man zieht also z. B. die Vor- oder Großschot so weit dicht, wie erwünscht, braucht sie nicht zu belegen, sondern läßt die Schot einfach los. Eine einzige leichte Schlenkerbewegung nach oben löst die Schot automatisch wieder aus. Mit jeder einzelnen Bö kann man die Schoten dichter holen, braucht diese dann nicht krampfhaft zu halten und kann sie ebenso schnell wieder lösen. (Die Klemmeinrichtung ist neuerdings bei der Bootswerft Mitterer, Riederau am Ammersee, zu beziehen.)

Die Fockschot läuft durch das Deck: Aus aerodynamischen Erwägungen sowohl als auch praktischer Vorteile wegen werden alle Schoten durch das Deck geführt. So die beiden Vorschoten, welche in einer Metallführung schräg durch das Deck laufen. Unter dem Deck führen sie um eine sich in alle Ebenen einstellende größere Drehrolle und von hier durch die dicht dahinter angebrachten Klemmen. Auf Deck ist somit nichts mehr, was sich vertörnen konnte und was allein schon beim Sitzen stört. Die Einrichtungen sind unter Deck vor Wasser geschützt. Für die Fockschot ist die Klemmeinrichtung derart angebracht, daß, wenn der Vorschotmann die Schot in normaler Sitzlage auf Deck - hochbord - anzieht, sie frei - ungeklemmt - läuft; wenn er aber die Zugrichtung um nur 20 cm ändert, d. h. die ziehenden Hände etwas senkt, klemmt die Fockklemme, Eine einzige leichte Schlenkerbewegung mit der Schot nach oben, die der Vorschotmann auch in weit hinausgelehnter Haltung ausführen kann, löst die Klemme augenblicklich wieder. Auch die Backstagen laufen bei meinem 20er ,,Aero" durch das Deck und werden unter Deck befestigt.

Gummibelag auf den Bodenbrettern: Erfahrungsgemäß rut.scht man bei nassem Wetter auf den kleinen Booten, besonders bei Schräglage und Halsemanövern, oft aus und es ist schon manche Kenterung dadurch passiert, daß die gesamte Mannschaft gleichzeitig bei einer Halse nach Lee rutschte oder aber nicht schnell genug von Lee nach Luv kam. Es liegt nahe, einen auch bei Nässe standfesten Boden mit Gummibelag auf den Bodenbrettern zu benutzen. Da aber Gummi schwer und auch teuer ist, habe ich nur gewisse Stellen an den Bodenbrettern mit geripptem Gummi beklebt, und zwar den Teil, der vom Steuermann und Mannschaft hauptsächlich benützt wird. Es erwies sich als sehr angenehm.

Verwendung der Kockpit-Deckel: Bekanntlich verwende ich an Stelle des Persennings für alle meine Neubauten, die schon im Jahre 1928 (siehe ,,Die Yacht" 1928 Nr. 10) näher beschriebenen Kockpitdeckel. Diese haben den Vorteil, daß sie viel schneller an- und abgelegt werden können, sich nicht von selbst lösen oder fortflattern können, nicht zerreißen und auch während der Lebensdauer eines Bootes nicht ersetzt zu werden brauchen. Um einen wasserdichten und guten Verschluß zu erzielen, habe ich neuerdings die Deckel wie auch den Kockpitrand mit Aluminiumblech beschlagen. Zwei kleine Luftzuführer in den Deckeln erwiesen sich als notwendig, da das Innere des Bootes sonst infolge Fehlens der Luftzirkulation litt.

Verschiedene Kleinigkeiten: Soweit die Neuerungen oder Verbesserungen sich auf das Boot bezielien. sei nur noch kurz erwähnt, daß ich einen wasserdichten Mastdeckverschluß gießen ließ. den ich mit Vorteil benutzte. Der Mast nämlich wirkt wie eine Dachrinne, d. h. Führungsrinne nach unten, und schon mancher hat sich über das viele Wasser im Boot trotz Persenning usw. gewundert. Dieser Mast-Deck-Beschlag ist wie alle anderen Beschläge aus Messing verchromt. Das Verchromen hat sich, vorausgesetzt, daß nur Messing als Metall verwendet wird, gut bewährt. Vom Graphitieren bin ich ganz abgekommen. Es ist eine unangenehme Schmiererei, nicht gut für das Holz und nicht übermäßig glatt. Ein schöner Farbanstrich mit Kupferbronze oder sonstiger guter Unterwasser-Ölfarbe ist meiner Ansicht nach vorzuziehen. Schubladen für Boote halte ich nach wie vor für die einzige wassersichere und die praktischste Einrichtung zur Aufbewahrung von Bordgegenständen. Auch bin ich gar nicht der Ansicht, daß es vom sportlichen Standpunkt aus unbedingt nötig ist, auf harten Holzbänken zu sitzen. Ich habe daher in meinem ,,Aero" für leichtes Wetter gemütliche weiche Sitze eingebaut, die je nach dem Wetter gepolstert oder ungepolstert benutzt werden können. Für Bootshaken, Paddel, Spinnakerbaum und andere Gegenstände, über die man sonst oft stolpert, sind besondere Halter vorn unter Deck vorgesehen, so daß man mit einem Griff den gewünschten Gegenstand zur Hand hat. Als Großsegelpersenning verwende ich einen rundum geschlossenen Sack, der von hinten nach vorne über die Spieren gestreift wird und hier mit einem R e i ß v e r s c h l u ß versehen ist. Auch an den Vorsegelsäcken verwende ich Reißverschluß.

Die Takelage: Für die Wanten benutze ich den bei kleinstem Durchmesser große Bruchfestigkeit besitzenden rostfreien Stahldraht, der schon seit langem in Amerika verwendet wird. Das Schwert wurde verkadmiumt, da die Farbe durch die Benutzung zu leicht abgekratzt wird und hierdurch eine rauhe Oberfläche entsteht.
An Stelle der Taueinfassung an den Lieken des Spinnakers, die den Nachteil liat, daß das Tau im Regen verkürzt und das Segel eindrehend verzerrt, habe ich Walter Benrowitz vorgeschlagen, die Lieken mit einem reißsicheren Band einzufassen, was vor allem auch den Vorteil hat, daß das Gewicht vermindert wird. Dies ist besonders für unseren Kugelspinnaker von Vorteil.

Druckknöpfe als Lattenbefestigung: Wenn wir ein modernes Rennboot auftakeln und beim Einfügen der Latten die Bändsel immer wieder neu einbinden müssen, weil diese sich entweder gestreckt haben oder die Latte zu eng eingebunden war, - oder wenn wir nach einer Regenregatta uns die Fingernägel abbrechen beim Versuch die Knoten an den Schnüren der Lattenhefestigungen zu lösen und mit der Mannschaft etwa zehn Minuten beim Segel-Setzen oder Streichen beschäftigt sind, - dann müssen wir uns gestehen, daß wir hier wohl noch sehr altmodisch hantieren. Ich habe nun auf den verschiedensten Wegen versucht, eine praktischere Lattenbefestigung zu konstruieren und bin zum Schluß zu folgender Lösung gekommen, die sich bewährt hat. An Stelle der Bändsel an dem Außenende der Lattentaschen werden Druckknopfe eingenäht, die mit einem (für diesen Zweck speziell von einer Münchener Fabrik angefertigten) stiftartigen Fortsatz durch ein Tuch in die Latte führen und diese so befestigen. Die eine Hälfte des Knopfes besteht aus einem gewöhnlichen Autodruckknopf. Die andere Hälfte aus dem nach meinen Angaben hergestellten bolzenähnlichen Fortsatz, der am unteren Taschenende eingenäht wird. Die Latte ist mit etwa 36 Löchern versehen und kann mit einem einzigen Druck auf den Knopf fixiert werden. Die Löcher in den Latten sind für die jeweilige erwünschte Wölbung vorher geeicht. Das Segelsetzen und Bergen geschieht in einem Fünftel der Zeit. Nach dem Einfügen der Latte genügt ein Druck auf den Knopf, um diese zu befestigen, und ein Zug am Druckknopf, um diese wieder zu lösen. Ich habe diese Latten-Druck-Knöpfe den ganzen Sommer auf meinem "Aero" und unserer Sonderklasse ,,Marion" ausprobiert und bin von der Zweckmäßigkeit derselben voll überzeugt. Die Knöpfe haben sich nie von selbst gelöst, noch geklemmt, noch haben sich irgendwelche Nachteile gezeigt. Diese Druckknopfe können von Walter Benrowitz in Berlin in den Segeln geliefert werden.

Sodann möchte ich noch bemerken, daß ich auch mit der Farbenzusammenstellung bei Bootsanstrichen verschiedene Versuche angestellt habe und mit dem ganz in weiß und schwarz gehaltenen Anstrich meines Zwanzigers und den schön verchromten Beschlägen ein sehr schönes, elegantes Form- und Farbenbild erzielt habe. (Auch Mast, Spieren, Blöcke, Latten wurden weiß gestrichen.)

Zum Schluß möchte ich noch feststellen, daß ich die Schnelligkeit von ,,Aero" vor allem auch auf die aerodynamische Überwasserform zurückführe, deren Tiefliegen der Bootsnase den Zweck hat, den Wind vom Wasser störungsfrei aufzunehmen und schräg nach oben mit erhöhter Geschwindigkeit in die Segel zu leiten. Von dieser Eigenschaft des tiefliegenden Buges kann man sich am besten dadurch überzeugen, daß man sich in Augenhöhe zum vorderen Kockpitrand aufstellt. Man fühlt hier den in seiner Geschwindigkeit erheblich gesteigerten nach oben abgebogenen Luftzug deutlich verstärkt im Gesicht. Der Vorteil des tiefliegenden Buges liegt somit, außer in der Verminderung des gesamten Luftwiderstandes, vor allem in der störungslosen Leitung des Windes in die Segel.