Scan Bootshaus fA4

Der Schweriner Segler-Verein von 1894 e. V. (SSV) und sein Bootshaus

Vom 17. – 24. August 2019 feierten die Mitglieder des SSV das 125jährige Bestehen ihres Vereins. Untrennbar verbunden mit der Vereinsgeschichte ist die Geschichte des Bootshauses. Wobei die Bezeichnung Bootshaus nicht eindeutig ist: Der Teil des Hauses, der das Restaurant, den Clubraum und die nichttechnischen Räume beherbergt wird von der Mehrheit der Vereinsmitglieder und der Gäste als Seglerheim bezeichnet. Seglerbootshaus bezeichnet den Gesamtkomplex des Vereinsgeländes. Aber letztlich hat jeder so seine eigene Bezeichnung gefunden hat.

Nur 13 Jahre nach der Gründung des Vereins wurde am 06. Oktober 1907 das erste Bootshaus einschließlich einer Winterlagerhalle eingeweiht. Großherzog Friedrich Franz der IV. überließ dem Verein bereits 1904 kostenlos die der Marstallhalbinsel vorgelagerte Insel Schwanenhorst. Der schwierige Baugrund verdoppelte die Kosten, die unter anderem durch Anteilsscheine in Höhe von 20 Mark aufgebracht wurden.

Der rasante Anstieg der Mitgliederzahlen, 1921 waren es bereits 473, erforderte bald einen Neubau. Dieser um das Doppelte erweiterte Bau wurde am 28. September 1924 eingeweiht. Auch hier beteiligten sich die Mitglieder mit einer Bauumlage und höheren Mitgliedsbeiträgen. Oberbürgermeister Saschenbrecker ließ es sich nicht nehmen, die Einweihungsrede zu halten. Die Architekten Bentrup und Nehls haben ein Kleinod geschaffen, das bis heute von seiner Anziehungskraft nichts eingebüßt hat.

Zum Haupthaus gehört eine Bootschuppenanlage, die in ihrer Kompaktheit ziemlich einmalig ist. Waren es früher einzelne, offene Schuppen, wurden diese in den Jahren 1959 – 1975 zu einer Einheit verschmolzen mit Schiebe- und Drehtoren, Strom, Licht. Die alte Konstruktion auf 17 m langen Rammpfählen barg den Nachteil, dass die Pfähle an der Wasserkante verrotteten. Sie wurden an der Wasserkante abgesägt und mittels vollbetonierter Beton- und Kunststoffrohre, die man als Hülsen auf die Pfähle setzte, saniert. Die alte abgefangene Dachkonstruktion wurde daraufgesetzt. 

Die Schwierigkeiten der Pfahlgründung mag dieses kleine Beispiel verdeutlichen:

Als ein Dachpfahl mit der Ramme hochgezogen und dann von der Zugkette gelöst wurde, um durch sein Eigengewicht in den Boden zu sinken, verschwand der ca. 17 m lange Pfahl auf Nimmerwiedersehen im Untergrund. Ein paar Luftblasen und aufsteigender Moder – das war alles. Selbst Nachstochern brachte nichts. Spätere Bohrungen ergaben, dass nur eine Gründung zwischen 25 und 28 m eine Standsicherheit ergeben.

Die Bootschuppenanlage erstreckt sich in Richtung Stadt. Man betritt sie durch den „Langen Gang“,  zur Linken befinden sich die lediglich überdachten Liegeplätze für die Beiboote zum Übersetzen zu den „Weißen“ Schuppen und zur Rechten die bereits erwähnten geschlossenen Schuppen.

Die“ Weißen“ Schuppen-, die man früher bequem mit einer Kettenfähre erreichen konnte, liegen auf der Nordseite des „Beutels“. Heute ist Paddeln angesagt, wenn es sein muss, mit dem Kinderwagen. Diese Schuppen mit früher weißen Toren entstanden in den 30er Jahren mit 12 Boxen. 1959 wurde hier ein neuer Schuppen mit nunmehr 24 Boxen gebaut. Der Name „Weißer Schuppen“ hat sich bis heute gehalten. 

Der „Lange Gang“ führt zur „Kamelbrücke“ und über diese zu einer weiteren Schuppenreihe.

Die gesamte Schuppenanlage umfasst 66 vereinseigene Schuppen, 11 Privatschuppen von Vereinsmitgliedern und 23 überdachte Liegeplätze ohne Wände.

 

Unser Seglerbootshaus hatte immer seine „mageren“ Stellen. Hafenmeister und Bootshauswarte vergangener Zeiten hatten viel zu tun, Fundamente, Pfähle und Stege zu sanieren. Seekreide, Schluff und Schlamm sind nun mal kein geeigneter Baugrund. Die Zeit in der DDR machte die Sanierung nicht gerade einfach – ständiger Mangel an Baumaterial und Arbeitskapazitäten waren an der Tagesordnung. 

Als der Kreisfachausschuss Segeln unter Leitung des unvergessenen Schweriner Segelurgesteins Wilhelm „Schubi“ Flint die Steuerung der gesamten Reparatur- und Pflegearbeiten der Bootshausanlage und die Hafenkommission die Koordinierung übernahm, gab es einen großen Schub.

In den Reihen unserer Vereinsmitglieder gab und gibt es eine Vielfalt von Berufen, so dass insbesondere zu DDR-Zeiten z. B. die Projektierung und Statik in Eigenregie realisiert werden konnten.

Ohne die unzähligen Arbeitsstunden und das große Engagement vieler Segelfreundinnen und -freunde, wäre das Seglerheim schon 20 Jahre früher abbruchreif gewesen. Trotz aller Anstrengungen, das Seglerheim war nicht mehr zu retten. Zudem entfielen in den 80er Jahren die Zuwendungen durch den Staat.

 

Nach der Wende, ab 1997, gab es einen Silberstreif am Horizont für den Wiederaufbau des Seglerheims. In der Mitgliederversammlung am 19. April 1998 wurde beschlossen, 700 TDM aus Vereinsmitteln und Umlagen der Mitglieder als Basis für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Noch im selben Jahr wurde mit dem Abbruch des Seglerheims begonnen. Bereits am 30. April 1999 wurde das Richtfest gefeiert in Anwesenheit der Kultusministerin Steffi Schnoor. Die feierliche Einweihung des mit rund 2,8 Millionen DM aus staatlicher Förderung und Eigenmitteln des Vereins entstandene neue Schmuckstück wurde am 28. August 1999 begangen. Ein lang gehegter Traum ging in Erfüllung – es gibt wieder einen angemessenen Ort der Begegnung. 

 

 

 

Es sollten noch weitere 20 Jahre dauern, bis auch die alte Winterlagerhalle abgerissen und neu aufgebaut wurde. Das Richtfest fand am 07. August 2019 statt und fast vergessen waren Schweiß und Tränen, die mit dem Projekt „Winterlagerhalle“ verbunden waren. Auch wenn es eigentlich alles gibt und nicht wie zu DDR-Zeiten um jeden Sack Zement gekämpft werden musste, so kann eine überbordende Bürokratie ebenso nervenaufreibend sein.

Die Winterhalle beherbergt u. a. die große Optimistenflotte unserer erfolgreichen Jugendabteilung. Dank optimaler Förderung kann unser Verein auf eine große Anzahl Teilnehmer bei Welt- und Europameisterschaften und sogar einer Olympiade verweisen.

Die pflegeintensiven Holzboote können ebenfalls hier gelagert und überholt werden. Die robusten Kunststoffboote haben ausreichendend Platz auf dem Gelände.

Das Haus ist aber letztendlich „nur“ die Hülle und will mit Leben erfüllt sein - und das versteht das Seglervölkchen bis heute.

Aus den Anfängen des Seglerheims gibt es nur wenige Überlieferungen. Wir wissen, dass der Gastraum sehr klein war und mit einem Kanonenofen beheizt wurde, der in den 30er Jahren einen Brand auslöste und einen großen Teil des Hauses vernichtete.

Nach dem Krieg bis weit in die DDR-Zeit hinein gab es keinen Wirt. Als die HO (Handelsorganisation der DDR) das Zepter übernahm, kam das Vereinsleben fast zum Erliegen – man hatte in den eigenen Räumen nicht mehr das Sagen. Couragierte Mitglieder unseres Vereins revoltierten und setzten durch, dass die HO sich zurückzog. Der Kreisfachausschuss Segeln übernahm die Verwaltung. Ein Gastwirtspaar wurde gefunden und es ging wieder los. Und so ging es weiter mit immer wechselnden Gastwirten in einfachen und teilweise nicht beheizbaren Räumen. Aber es wurde getanzt bis in die 80er Jahre, selbst als in der Veranda schon die ersten Bodenbretter fehlten und man aufpassen musste, mit dem Stuhl nicht ins Wasser abzurutschen. Eine hauseigene Band, wer hatte so etwas schon, sorgte für die gute Stimmung.

Vor genau 20 Jahren gründete sich ein Skipperchor, der zu vielen Anlässen ein Konzert gibt. Einmal im Jahr lädt der Chor zu einem Benefizkonzert ein, dessen Erlös der Jugendabteilung zugutekommt.

Wer heute unser Seglerheim besucht, findet eine für einen Segelverein sicher untypische Gastronomie vor. Eine perfekt ausgestatte Küche, ein großzügiger Gastraum, ein Saal und ein Clubraum lassen eher an ein Stadtrestaurant denken.  Und so ist unser Seglerheim eine feste Adresse für die Schweriner und Gäste der Stadt.

Mit dem Neubau des Seglerheims entstanden Schulungsräume, Büros, Beratungszimmer, Lageräume, Gästezimmer im Obergeschoss und ein Sanitärhaus für Gastlieger. Gepflegte Steganlagen für Dauerlieger und Gastlieger sind reichlich vorhanden. Dazu gehören heute eine Fäkalienabsauganlage, ein Kran und eine Slipanlage. 

Unser Verein richtet jedes Jahr zahlreiche große Regatten mit Seglern aus dem In- und Ausland aus. Wir sind stolz und zufrieden, wenn unsere Gäste voll des Lobes sind für diese einmalige komplexe Wassersportanlage, deren größter Trumpf das große Engagement aller Vereinsmitglieder ist.  

 

Text: Karin Crull

Fotos: SSV