Reviere
Jollenrevier Steinhuder Meer

1955

Bahnkarte des 31 qkm großen Steinhuder Meeres. Die Wendemarken liegen im Halbkreis um die Start- und Ziel-Plattform. Das Bahnsystem ermöglicht Starts und Zieldurchgänge am Wind und Kreuzstrecken bei jeden der hier vorkommenden Windrichtungen.


Was das Steinhuder Meer vor manchem anderen, vielleicht gleich großen Binnenrevier mit ausreichenden Wassertiefen für Kielboote auszeichnet, ist die stille Abgeschiedenheit und Verkehrslosigkeit. Zwar sind die klobigen kantigen Steinhuder Kähne, wenn es weht mit Segel und, wenn es flau ist, mit Außenbordmotor unterwegs, um vor allem Besucher zum Wilhelmstein, der künstlichen Insel in diesem Binnenmeer zu bringen, aber sie stören die Segler nicht. Keine Verkehrsmotorboote, keine Schleppzüge und auch keine unübersehbaren Massen von Sportbooten stören das behagliche Segler- und Regattaleben. Die Ufer sind nicht hoch und das Wasser groß genug, so daß man nirgendwo abgedeckt wird. Im Sommer ist es ein ideales Revier für Jollen, im kalten Winter für Eissegelregatten. Für Kielboote reicht die Wassertiefe nicht ganz aus, so daß sich die Steinhuder Segler zwangsläufig auf das Jollensegeln spezialisiert haben, und hier reden sie seit Jahren ein kräftiges Wort mit. Die Klassen, in denen sie segeln, sind heute vor allem die H-Jollen, Olympiajollen, Piratenboote und für die ältere Seglergeneration die Hansa-Jollen. Neuerdings scheint auch Interesse für die 20er Jollenkreuzer zu bestehen, von denen bereits ein Vertreter auf dem Meer segelt. Von den vier am Steinhuder Meer ansässigen Vereinen wurde der ASV zu Hannover- bereits 1874 gegründet, der Hannoversche Yacht-Club folgte 1906, der Schaumburg-Lippische Seglerverein 1908 und schließlich 1921 der Segel-Club Steinhuder Meer. Es sind große ansehnliche Vereine mit schönen Klubhäusern und Hafenanlagen, denen es keine Schwierigkeiten machte, kurzfristig die auf das Steinhuder Meer verlegte diesjährige H-Jollen-Meisterschaft zu organisieren und zum Erfolg zu bringen. Daß einer der ihren, F. J. Müller-Seegers, Steinhude, in den engeren Vorstand des DSV gewählt wurde, ist zugleich auch eine Anerkennung für die fast 50jährige Arbeit der Steinhuder für den deutschen Segelsport.

Nur ein Teil der Segler der Steinhuder Vereine stammt aus dem kleinen Steinhude am Meer, die anderen sind in Hannover zu Haus, in Braunschweig, Gütersloh, in Bielefeld oder auch in anderen Großstädten. Es gibt Bielefelder, die schon vor dreißig Jahren, als es noch keine Autobahn-Verbindung und noch keinen Kraftwagenverkehr im heutigen Umfang gab, Steinhuder Vereinen angehörten und noch heute dort segeln. Das spricht für das Steinhuder Meer ebenso wie für die Segelvereine, die hier fern der großen Städte beinahe so eine Art Segelrepublik aufgebaut haben.

Die Steinhuder Meer-Woche ist im norddeutschen Raum für alle Jollensegler ein Begriff — und für die in der Wettfahrt-Vereinigung Steinhuder Meer vereinigten Segler-Vereine ein alljährlich wiederkehrendes traditionelles Ereignis. Bei den fast gleichbleibenden Bedingungen des Fahrwassers ist das Steinhuder Meer ein allgemein beliebtes, geradezu ideales Revier für die Austragung von Wettfahrten aller Jollenklassen.

Schon der Begrüßungsabend der diesjährigen Steinhuder Meer-Woche in den neu hergerichteten Räumen des Schaumburg-Lippischen Segler-Vereins zeigte eine stattliche Besucherzahl aus den verschiedensten Segelrevieren aus Ost und West. In der Begrüßungsansprache gedachte der Regattaleiter, Wilhelm Nordmeier sen., in warmherzigen und anerkennenden Worten des allzu früh dahingegangenen O-Jollen-Meisters 1954, Werner Krogmann vom NRV in Hamburg.

In diesem Jahr war die Beteiligung an der Steinhuder Meer-Woche mit zweiundsiebzig Booten am Start wohl die größte Regatta nach dem zweiten Weltkrieg. Außer zahlreichen Vereinen aus dem Bundesgebiet hatten auch der Sportclub Einheit Berlin und der Sportclub Empor Schwerin-Rostock einige Boote zur Teilnahme gemeldet. Die Teilnehmer vom Sportclub Empor sind leider wegen anderweitiger sportlicher Verpflichtungen in ihrem eigenen Gebiet nicht an den Start gekommen. Ebenso kamen die Teilnehmer vom Automobil- und Yacht-Club Ruhrland aus gleichem Grund verspätet nach Steinhude.

Allen Seglern, die in Steinhude ihren Segelsport ausüben und auch denjenigen, die zu Regatten nach dort kommen, ist es hinreichend bekannt, daß man in wetterlicher Hinsicht mit großen Überraschungen rechnen kann. Am ersten Tage mußte wegen ungünstiger Windverhältnisse der Start verschoben werden. An den übrigen Tagen gab es teilweise vollkommene Flauten, die zu Bahnverkürzungen zwangen. Am Dienstag, dem 5. Juli, hat es ununterbrochen geregnet, so daß sich die Regattaleitung genötigt sah, überhaupt nicht starten zu lassen und die ausgefallene Wettfahrt auf den Mittwochnachmittag zu verlegen. Trotz des anstrengenden Tages am Mittwoch gab es einen humorvollen Bierabend im Klubheim des Segel-Clubs Steinhuder Meer, der sich bis in die frühen Morgenstunden ausdehnte. Der nächstfolgende Tag war dann regattafrei. Freitag bis Sonntag lag strahlender Sonnenschein über dem Steinhuder Meer, und ein stetiger Wind bescherte den Seglern ein herrliches Regattawetter. Am Sonnabend, dem 9. Juli, fand dann im Strandhotel in Steinhude nach einem Festessen im vollbesetzten Haus die Preisverteilung mit anschließendem Regattaball statt. Es gelangten an diesem Abend rund 150 Preise zur Verteilung. Die Wettfahrten am 10. Juli wurden besonders gewertet, und die Preise hierfür wurden am Nachmittag dieses letzten Tages der Steinhuder Meer-Woche im Klubheim des Segel-Clubs Steinhuder Meer verteilt. Interessant wurden die Regatten durch die Kämpfe um den Niedersachsen-Pokal. Bei den H-Jollen siegte „Stöpke", W. Pelzner (HYC) mit 271 Punkten. Bei den Olympia-Jollen ging „Madeleine", C. Och-wadt (SLSV) mit 69 Punkten führend durchs Ziel. Bei den Piraten lag „Windspiel", I. Seil (SCD) mit 247 Punkten an der Spitze. Außer den Verbandswettfahrten wurden Sonderwettfahrten in allen Klassen gesegelt. Die Ergebnisse waren: H-Jollen: „Stöpke", W. Pelzner (HYC), 271 Punkte. 20er Rennjollen: „Kiki", F. Kulle (SCStM), 6 Punkte. 12 m2 Scharpies: „Schwarzes Kerlchen", K. Grapentin (HYC), 15 P. Olympia-Jollen: „Mephisto" I. Vogler (SC Einheit Berlin), 106 P. Piraten: „Windspiel", I. Seil (SCD) mit 247 Punkten. Hansa-Jollen: „Seeadler", C. Munter (HYC), 29 Punkte. Der von der Wettfahrt-Vereinigung Steinhuder Meer gestiftete Sonder-Preis für den punktbesten Steuermann und punktbesten Vorschotmann in sämtlichen Wettfahrten aller Klassen fiel an U. Hermann (SLSV) als Steuermann und P. Hermann (HYC) als Vorschotmann.

Die Verbandswettfahrten vom Sonntag, die gesondert gewertet wurden, brachten folgende Ergebnisse: H-Jollen: 1. „Natascha", H. Grobe (HYC); 2. „Teufelchen", W. Berger (SC Einheit Berlin); 3. „Bravo II", I. Jander (SCD). 20er Rennjollen: 1. „Cognac", R. Stukenberg (SCStM). 12 m 2 Scharpies: 1. „Loki", W. Duwe (ASV); 2. „Freya", I. Schuh (ASV). Olympia-Jollen: 1. „Inha", W. Pohl (S. C. Einheit Berlin); 2. „Krümel II", B. Krause (HYC); 3. „Madeleine", C. Ochwadt (SLSV). Piraten: 1. „Aero", U. Hermann (SLSV); 2. „Windspiel", I. Seil (SCD); 3. „Carino", D. Hey (SLSV). Hansa-Jollen: 1. „Seeadler", O. Munter (HYC); 2. „Ma-harani II", Dr. Schulemann (RCRhe.); 3. „Westwind II", W. Jütte-mann (HYC). Bemerkenswert ist die hundertprozentige Bestandszunahme durch Neubauten in der Werft-Klasse der Hansa-Jollen.

Der Segel-Club Steinhuder Meer schickte seine drei 20er Rennjollen an den Start, und die vom Akademischen Segler-Verein zu Hannover besonders liebevoll gepflegte Klasse der 12 m2 Scharpies war ebenfalls vertreten. Das größte Feld stellten wie immer die Piraten-Jollen mit 25 Booten am Start. Die Beobachtung des Starts in dieser Klasse war ein Erlebnis für sich und weckte das ganz besondere Interesse der Schlachtenbummler auf den zahlreichen Booten. Das größte Interesse wendet sich in Steinhude jedoch immer wieder den Wettfahrten der H-Jollen, die auch in einer beachtlichen Stärke von 19 Booten vertreten waren, zu. Die Regatten brachten interessante Kämpfe. Besonders bemerkt werden muß, daß während der ganzen Woche nur drei Proteste vorlagen, die nach Anhören der Beteiligten bereinigt werden konnten. Im ganzen gesehen war die Steinhuder Meer-Woche ein beachtlicher Erfolg der Veranstalter, was auch in den zahlreichen interessanten Berichten der hannoverschen Tageszeitungen zum Ausdruck gebracht wurde.


Die kleine Festung Wilhelmstein, einst Staatsgefängnis, hat ihre Schrecken längst verloren. Auf einer der alten Bastionen vor den Wällen haben sich die Segler vom Steinhuder Meer eingerichtet. Im übrigen ist die kleine Insel Ziel für Ausflügler, die in den klobigen Steinhuder Kähnen mit Segel und Außenbordmotor, den „Auswanderern", herübergebracht werden.


Olympiajollen vor dem Klubhaus des Schaumburg-Lippischen Seglerverein.
Die Einmannklasse wird auf dem Steinhuder Meer gepflegt und hat seinen Seglern Erfolge in der Deutschen O-Jollenmeisterschaft eingebracht.


Das schöne Klubhaus des 1908 gegründeten Schaumburg-Lippisdien Seglervereins, das einen künstlichen Hafen besitzt und von dem man das ganze Meer überblicken kann, wurde erst in diesem Jahr wieder von der früheren Besatzungsmacht freigegeben.


Start zu einem der diesjährigen Meisterschaftsrennen der H-Jollen, Die H-Jollen sind die Rennklasse auf dem Steinhuder Meer.


Jachthafen und Klubhaus des 1906 gegründeten Hannoverschen Yacht-Clubs. Auch hier besteht die Flotte vorwiegend aus O-Jollen, H-Jollen, Piraten und Hansa-Jollen.



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