10 kulturelles historie

Die Yacht emanzipiert sich: Kielboote

Mit der Formgebung der Yachtrümpfe war Umwälzendes geschehen. Nachdem 1840 der amerikanische Schwertschoner Onkahye ein gegenüber dem Überwasserschiff stark eingezogenes, also schmaleres Unterwasserschiff - seiner Zeit weit voraus - zur Aufnahme von Ballast erhalten hatte und in den 60er und frühen 70er Jahren die ersten Yachten mit regelrechten Ballastkielen erschienen waren - ein Teil des Ballastes blieb freilich noch innen im Boot -, ging man nun der „benetzten Fläche" energisch zu Leibe. Denn sie ist für den Reibungswiderstand verantwortlich, und dieser macht, zumal bei niedrigen Geschwindigkeiten, einen hohen Anteil des Gesamtwiderstandes aus.

Doch zuvor noch etwas über den Ballast. Man hatte damals einige uns sonderbar anmutende Vorstellungen. Jedes Segelschiff benötigt für seine Stabilität Gewicht, worauf im Abschnitt „Etwas Physik" noch eingegangen wird. Bei den Segelschiffen brachte die Ladung dieses Gewicht, und wenn sie nicht genügte, lud man zusätzlich Steine oder Sand dazu.

Die frühen Yachten fuhren Blei- oder Eisenbarren unten im Raum und dazu noch beweglichen Ballast in handlichen Beuteln. „Ich versichere, es ist nicht zu verachten, wenn man am Wind drei Tonnen Schrott in Beuteln an der Luvseite liegen hat", heißt es in einer Yachtzeitschrift; 1856 wurde der bewegliche Ballast verboten. Es wurde auch empfohlen, „ein paar Beutel an eine Niedergangsleiter zu hängen und sie bei Flaute hin- und herzuschwingen", das könne „überraschende Resultate hervorrufen". Es wird angeraten, den Ballast auf Korkabschnitte oder Gummistücke zu legen, der Ballast müsse „leben", sonst habe das Boot kein „Leben in sich" (1850).

 

 

 

 

Kutteryacht Thistle, 1887, die spätere Meteor (Aus: Sciarelli, Die Yacht)

 

Es war ein Laie, der der benetzten Fläche als erster zu Leibe ging: Mr. Bental, Konstrukteur von Landmaschinen und leidenschaftlicher Yachtsegler. 1876 zeichnete er die Julianar, noch mit den tiefen Spantschnitten der traditionellen Kutter, aber mit einem Rumpfprofil, bei dem an Vor- und Hinterschiff kräftig abgeschnitten war, und das Boot wurde ein Erfolg. — Die Thistle des großen schottischen Schiff- und Yachtbauers G. L. Watson von 1887, die im gleichen Jahre erfolglos gegen die amerikanische Volunteer um den America's Cup segelte, zeigt ähnliche Linien, allerdings sind sie viel harmonischer. Auch ist dieses Boot nicht mehr so extrem schmal wie die älteren englischen Kutter. 1890 errang das Boot 22 Preise. Das Schiffszertifikat weist 26,36 m Länge in der Wasserlinie bei 35,08 m Länge über alles aus; Breite 6,21 m. Mithin ein nicht unbedeutender Überhang, wie der Unterschied zwischen der Wasserlinienlänge und der Gesamtlänge, der Länge über alles, genannt wird; er sollte in Zukunft noch große Bedeutung erlangen. Die Segelfläche betrug rund 645 m2.

1891 kaufte der deutsche Kaiser Wilhelm II dieThistle für 4500 £, etwa 90000 Mark, ein neues Boot dieser Größe hätte ungefähr das Doppelte gekostet. Er nannte sie Meteor und begann damit die Reihe der Meteor I-V. Übrigens enthielt das Angebot an den Kaiser auch die Genesta, einen noch sehr traditionellen Kutter, der 1885 gegen die Puritan des bedeutenden amerikanischen Konstrukteurs Edward Burgess im Kampf um den America's Cup unterlegen war.

Mit dem Kauf der Thistle erhob der Kaiser , von Seemachtstreben besessen, den Segelsport zur patriotischen Herausforderung im Zuge der imperialistischen Ziele des wilhelminischen Kaiserreichs. Dazu später mehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meteor II, 1896 (Gemälde von Hans Bohrdt)

 

Über die Yachten der Meteor-Reihe besitzen wir umfassende Unterlagen, die nicht nur über die technischen Einzelheiten, sondern auch über die Kosten, die Personalfragen und die Regattatätigkeit der großen Yachten aus der Zeit um die Jahrhundertwende bis 1914 sehr viel aussagen. An Segeln führte Meteor l: Großsegel - 367 m2, Fock — 62 m2 und Klüver — 82 m2 am eigentlichen Mast. An der Stenge, die den Mast nach oben verlängerte und die bei schwerem Wetter zur Vermeidung hochliegenden Gewichts gestrichen wurde, führte sie: Dreikant- bzw. Vierkant-Toppsegel von 71 bzw. 114 m2, einen Flieger von 24 und einen Spinnaker von 270 m2. Der Baum war 23,5 m lang, die Gaffel fast 15 m, und der Klüverbaum ragte 8 m nach außenbords. Die Zeichnung zeigt die Inneneinrichtung einer solchen Yacht. Es ist die der Meteor III, 1902, eines in den USA gebauten Schoners. Vorn die Mannschaft, einschließlich des bezahlten Kapitäns, und die Kombüse, in der Mitte der „Salon" und achtern die Wohn- und Gästeräume des Eigners. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Die Yacht sollte nicht als das luxuriöse Fahrzeug eines Monarchen, sondern als das komfortabel eingerichtete Segelboot eines Privatmannes hergestellt werden ... Alle Kajüträume sind mit Mahagoni ausgelegt, weiß emalliert und haben einen feinen Elfenbeinfirnis. Der hervorstechende Farbton in den Dekorationen, in den Vorhängen, Decken und Teppichen ist ein mattes Myrtengrün ... Die Möbel in des Kaisers Zimmern und denen der Damen bestehen aus eingelegtem Satinholz, in den übrigen aus Mahagoni. Ein interessanter Charakterzug des Ganzen ist es, daß kein elektrisches Licht gelegt ist, sondern Kerzen zur Verwendung kommen." Ähnlich mag es auf allen diesen Schiffen ausgesehen haben, später natürlich mit elektrischem Licht.

 

 

 

 

Meteor III, Einrichtungsplan (Kölnische Volkszeitung 1901)

 

Die Betriebskosten der Meteor l beliefen sich 1891 auf etwas mehr als 30000 Mark, davon grob die Hälfte an Ausgaben für das Personal. Der Kapitän bekam 2000 Mark im Jahr, dazu an Regattageldern pro Start 20, je 1. Preis 40 und je 2. Preis 30 Mark. Die Besatzung erhielt geringere Prämien. Die Heuer der Matrosen betrug 30 Mark/Woche, dazu Bekleidung - ein Anzug für den Kapitän kostete etwa 90 Mark. „Es ist Sitte, daß bei Außerdienststellung der Yacht die Leute die Kleider mitnehmen. Bei Entlassung in Folge schlechter Führung werden die Kleider dagegen zurückbehalten," heißt es in dem Kostenanschlag. Meist wurde noch ein Verpflegungsgeld von hier 0,73, später von 1 Mark täglich gezahlt. Die Besatzungsliste weist einen Schiffsführer, einen Steuermann, einen Bootsmann und 13 Matrosen aus, die Regattabesatzung muss stärker gewesen sein. Meteor II hatte 42 Mann. In den ersten Jahren kamen Schiffsführer und Besatzung aus England. Später wurden deutsche Yachtseeleute herangebildet, so auf der ersten und der zweiten Meteor, die dann Comet bzw. Orion hießen, auf der Hamburg des „Hamburgischen Vereins Seefahrt" und natürlich auf vielen anderen Yachten.

1896 ließ Wilhelm II einen „new dashing racing-cutter of Britannia-type" bei Watson bauen, die Meteor II. Die Britannia, 1893 ebenfalls bei Watson für den englischen König erbaut, gehörte lange zu den schönsten Yachten Englands, ein echtes „Vollblut". Meteor II hatte folgende Abmessungen (die der Britannia in Klammern): L (= Länge über alles) 37,6 m (37,2), LWL (= Länge Wasserlinie) 27,2 m (26,5), Breite 7,37 m (fehlt), Tiefgang 5,5 m (4,57), Segelfläche 1045 m2 (1000). Baukosten 168147 Mark. Auch sie ein echtes „Vollblut" mit jahrelangen Erfolgen.

 

 

 

 

 

 

Meteor III im Atlantik, 15.4.1902, Gemälde von Willy Stöwer (Aus: Stöwer: Dt. Segelsport, 1905)

 

Meteor III war ein Schoner, nach einem Riss von C. Smith 1902 bei Townsend & Dowley in New Jersey gebaut, auf der gleichen Werft wie seinerzeit die Iduna. Auf der Überfahrt von Amerika verlor sie im Atlantik das Bugspriet. Auf dem Bild sind die Stengen gestrichen, um das Toppgewicht in dem schweren Seegang zu verringern. Die Meteor wurde ein scharfer Gegner der Hamburg l des „Hamburgischen Vereins Seefahrt", ex Rainbow, ebenfalls ein Entwurf von G. L. Watson.

Meteor IV sollte ursprünglich bei dem „Zauberer von Bristol", Pa. Nathaniel Herreshoff, gebaut werden. Herreshoff war wohl der bedeutendste Yachtkonstrukteur, der je gelebt hat. Die Familie stammte, so berichtete sein Sohn Francis, auch er ein bekannter Yachtkonstrukteur, aus Hessen. Einer seiner Vorfahren hatte bei den „langen Kerls“ des preußischen Königs gedient. Er durfte sich am Ende seiner Dienstzeit eine Gnade erbitten und bat um die Mittel zur Auswanderung nach Amerika, wo er ein Sägewerk mit Zimmerei gründete. Sein Enkel Nathaniel wurde Bootsbauer. „Herreshoff, das größte Erfindergenie in der Geschichte der Segelyacht, war Erbe der amerikanischen Regel, nach welcher der Konstrukteur seinen Entwurf machte, indem er die Güte der Form mit dem Gefühl seiner Fingerspitzen nach dem von ihm eigenhändig angefertigten Halbmodell beurteilte. Zu einer Zeit, in der der Schleppkanal in Wissenschaft und Praxis allgemein Eingang gefunden hatte, hielt er nicht einmal etwas von Zeichnungen, sondern verließ sich allein auf sein Auge und baute so die stärksten Yachten der Welt", schreibt Sciarelli in seinem Buch „Die Yacht". „Er bestimmte den amerikanischen Yachtbau von 1890 bis 1920. Als die Shamrock l des Teekönigs Lipton, ein Bau von Watson, 1901 beim America's Cup von Herreshoffs Columbia geschlagen wurde, sagte Watson traurig: „Ich wollte, Herreshoff hätte auch einen Schlepptank."

Die Meteor IV wurde dann aber 1908 an den in Deutschland und im Ausland zu großem Ruf gelangten Max Oertz vergeben und von der Germania-Werft, Kiel, ausgeführt. Dieser Auftrag wurde damals mit Recht als ein Durchbruch für den deutschen Yachtbau angesehen. Etwa gleichzeitig entstand auf der gleichen Werft der Oertz-Entwurf Germania l für Krupp. Maße der Meteor (die der Germania in Klammern):
Lüa 47,2 m (47,13), LWL 32,65 m (32,64), Breite 8,27 m (8,18), Tiefgang 5,49 m (5,36), Verdrängung 265 t (240), Segelfläche 1376 m2 (1431). Die Linien beider Schiffe sind fast gleich, Preis jeweils rund 700000 Mark.

1913 wurde Oertz mit dem Entwurf für den Schoner Meteor V beauftragt. Abmessungen: Lüa 47,6 m, LWL 32,13 m, Breite 7,68 m, Tiefgang 5,48 m, Segelfläche 1410 m2. Über die Inneneinrichtung berichtet „Die Yacht" am 17. 12. 1915: „... was in dem Hauptraume im Vergleiche gegen den des vierten Meteor's auffällt, ist das Fehlen des Kamins, an dessen Stelle ein mit Selbstspielvorrichtung versehenes Klavier eingebaut ist ... Der Ersatz des Kamins durch das Klavier hat dem Raum einen starken Zug von Wohnlichkeit verliehen"..., was „Die Yacht", wohl mit uns, „sonderbar" findet. „Die Eignerkabine ist mit einem Wasch- und Badezimmer versehen, mit Toilette und im Fußboden versenkter Wanne [damals auf vielen großen Yachten üblich] ... Das Achterschiff nimmt wieder die von Bord zu Bord reichende Damenkabine ein ... Sie erhält Tageslicht durch ein als Sitzbank ausgebildetes Oberlicht."

Soviel über die großen Yachten. Sie segelten vor Cowes und in Kiel, im Mittelmeer und vor Skandinavien, vor Irland und auf der Ost- und Nordsee, in den Vereinigten Staaten um die Wette, und 1905 nahm die Hamburg an dem zweiten großen Atlantikrennen teil, das gesegelt wurde. Das erste hatte auf Grund einer Wette im Dezember 1866 zwischen 3 amerikanischen Schonern stattgefunden. Die Hamburg ersegelte gegen starke ausländische Konkurrenz den zweiten Preis mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 9,5 kn. Der Sieger, der amerikanische 3-Mast-Schoner Atlantic, hatte den bis in die jüngste Zeit unerreichten Schnitt von 10,32 kn ersegelt. Zeitgenossen dieser Großen waren die berühmten Fischerschoner von Gloucester, Mass., die auf den Neufundlandbänken fischten. Sie hatten sich zu wahren Regattaseglern entwickelt, dazu hatte sie der Kampf um den Markt gemacht, und sie segelten jedes Jahr den International Fishermen's Race. 1921 gewann ihn die gewaltige kanadische Bluenose, und seitdem ist der Preis in Halifax geblieben.