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„Kong Bele“ - eines der ältesten Segelschiffe Deutschlands

Text: Monika Kludas

Vor 120 Jahren auf Schmuggler-Jagd


Wo Zollabgaben verlangt werden, sind auch Schmuggler nicht weit. Gegen solche Bösewichte musste schon im 18. Jahrhundert die königlich dänische Zollverwaltung etwas unternehmen und stellte, um ihre Interessen auf See zu vertreten, schnelle Gaffelkutter in Dienst. In Belten und Sund wurden bis zu 19000 Frachtsegler pro Jahr kontrolliert, aber auch Lotsen übergesetzt, Wetterbeobachtungen gemacht und Menschen aus Seenot gerettet.

Einer der Zollkutter aus bestem Eichenholz lief 1879 bei Kopenhagen vom Stapel und wurde nach den griechischen Waldnymphen „Dryaden“ getauft. Bei knapp 17 Metern Länge und der riesigen Segelfläche von 160 Quadratmetern benötigte sie nur vier Mann Besatzung. Offenbar war sie recht erfolgreich, denn es heißt, sie sei Anfang des 20. Jahrhunderts, als der Zoll auf Motorfahrzeuge umstieg, ein lautloses Fluchtmittel für Schwarzhändler gewesen.

Deutsche Sportsegler, die 1925 „Dryaden“ übernahmen, tauschten das Gaffelsegel gegen das moderne dreieckige Bermudasegel aus. Vier Jahre später wurde der 50jährige Kutter mit dem spitz zulaufenden Achterschiff an den Hamburger Erich Warburg und seinen Freund Woilfgang Rittmeister verkauft und ist seitdem in der Warburg-Familie geblieben. Mit der zuverlässigen „König Bele“, umbenannt nach einem König der Islandsage, nahmen sie an Regatten teil und segelten häufig vom Liegeplatz in Kiel nach Skandinavien. 1933 erreichten sie sogar den Polarkreis, ein beachtlicher 1000-Meilen-Törn, den der DSV mit einem Preis würdigte.

Doch das Jahr zeigte schon deutlich den eskalierenden Nazi-Terror, dem auch die Warburgs als Familie jüdischer Abstammung ausgesetzt war. Aber erst am 23. August 1938 verließ Erich Warburg das Land mit der „Kong Bele“ und brachte sie, bevor er zu Verwandten in die USA emigrierte, nach Stockholm. Mit dem schwedisch veränderten Namen „Kong Bele“ überstand sie als Yacht seiner Freunde den Weltkrieg und wurde in den 50er Jahren nach Deutschland zurückgebracht.

Kong Bele unter Wellblechdach in Stockholm

Umfangreiche Restaurierungsarbeiten waren nötig, um das alte Segelschiff zu erhalten. Vor allem mussten sämtliche Bolzen, mit denen die Planken befestigt waren, ersetzt werden, und dabei ließ Erichs Sohn Max M. Warburg auch die Inneneinrichtung erneuern. Der NRV, dessen langjähriges Mitglied er war, ehrte Schiff und Eigner auf ganz besondere Weise: 1979, im Alter von 100 Jahren, wurde „Kong Bele“ zum ersten Flaggschiff des noblen Vereins ernannt.

Zu den Lieblingsrevieren gehörten neben Skandinavien die schottische Westküste, wo der Kutter drei Jahre durch die Inselwelt der Hebriden kreuzte.

Kong Bele mit Hochtakelung (Foto aus den 50ern)

1994 war eine Verjüngungskur des Rumpfes fällig, ein Großauftrag für die auf Holzbootsbau spezialisierte Walsted-Werft auf der dänischen Insel Thurö. Die 115-jährigen Eichenplanken waren bis auf eine noch völlig gesund. „Kong Bele“ erhielt einige neue Spanten, die nicht modern lamelliert, sondern traditionell aus gewachsener Eiche ausgesägt wurden. Den Aufbau trennte eine Kettensäge ab, dann wurden neue Skylights, Schiebeluken und ein Teakdeck gefertigt.

Die Werft konnte Max M. Warburg überzeugen, zum Gaffelrigg mit cremefarbigen Segeln zurückzukehren, eine Takelung, die dem klassischen Boot eine ungeahnte Ästhetik verleiht. auch Kabinen und Salon sind nun vollständig in Honduras-Mahagoni umgestaltet. Im Heckbereich entstand mit Hilfe zusätzlicher Spanten eine Achterkajüte, am Niedergang liegt der große Salon mit einer Navigationsecke und einer Kombüse mit zweiflammigem Herd und Kühlbox. Neben dem Durchgang nach vorn sind Dusche und WC-Raum untergebracht, im Vorschiff befindet sich eine weitere Doppelkabine. An Deck unterstützen Bronzewinschen das Setzen und Bedienen der 148 qm Segelfläche, das Tauwerk wird traditionell an Holznägeln belegt. Auf den ersten Blick sieht die heute 121 Jahre alte „Kong Bele“ aus wie ein originalgetreuer Neubau, unverfälscht und von enormer Ausstrahlungskraft.

Foto von der Website der Walsted Werft, Foto Tom Nitsch