Yachten im Detail



Rennboot-Raffinessen (1965)

Reine Rennyachten, besonders Boote der internationalen Konstruktionsklassen, deren Klassenvorschriften einen größeren Spielraum lassen, sind oft sehr unterschiedlich mit teils kompliziert aussehenden Hebeln, Winschen und Spindeln ausgerüstet, deren Sinn der Anfänger nicht erkennt. Sie dienen dem Ziel, den Trimm des Bootes, den Stand des Mastes und der Segel zu verbessern, um das Boot dadurch schneller zu machen, und zwar Trimmänderungen während des Rennens zu erreichen. Ein unbedingt gerades Vorliek des Vorsegels, ein straffes Vorliek und Unterliek des Großsegels wird durch Streckeinrichtungen erreicht. Weitere Einrichtungen dienen dazu, die Stellung und die Neigung des Mastes -während der Regatta veränderten Wetterverhältnissen und Bedingungen anzupassen und ihm vielleicht auch eine bestimmte Biegung zu geben. Man unterscheidet bei einem Boot „Leegierigkeit" (wenn es am Winde segelnd das Bestreben hat, den Bug vom Winde -wegzudrehen) und „Luvgierigkeit" (wenn es bestrebt ist, den Bug zum Wind hin zu drehen). Ein Boot, das weder luv-noch leegierig ist, sondern, ohne daß man einen Druck auf das Ruder ausübt, am Wind segelnd seinen Kurs hält, ist „ausbalanciert". Bei einem nicht ausbalancierten Boot steht das Ruderblatt im Wasser stets mehr oder weniger quer zur Fahrtrichtung und hemmt dadurch die Vorwärtsbewegung. Ein Rennboot muß also ausbalanciert sein, allerdings nicht hundertprozentig. Eine kleine Luvgierigkeit muß zurückbleiben. Ist ein Boot leegierig, dann muß der Mast etwas nach hinten gerückt oder geneigt werden, damit es ausbalanciert wird. Soll darüber hinaus eine geringe Luvgierigkeit erreicht -werden, dann muß der Mast noch geringfügig weiter nach hinten geneigt werden. Ist das Boot zu luvgierig, dann muß man den Mast gerader stellen und notfalls leicht nach vorn neigen oder auch ganz in seiner Spur nach vorn verschieben. Nun reagiert aber ein Boot bei verschiedenen Windstärken verschieden. Wenn es bei mittlerer Brise ausbalanciert segelt, dann wird es bei leichterem Wind leegierig und bei stärkerem luvgierig. Daher wird es nötig, die Stellung des Mastes sogar während eines Rennens der Windstärke anzupassen. Daher braucht man auf den 5,5ern Winschen mit Feineinstellung für das Achterstag und Einrichtungen, um das Vorstag millimeterweise zu lockern oder dichter zu holen. Wie wichtig die Stellung des Mastes für ein Rennboot sein kann, zeigt die Tatsache, daß die Olympiaregatten der Drachen 1956 in Melbourne von den Booten gewonnen wurden, die den Mast den Wetter- und Revierverhältnissen entsprechend im Rahmen der Klassenvorschriften weiter nach vorn gesetzt hatten. Um die Stellung des Mastes leichter unterwegs verändern zu können, hat der mehrmalige Starboot-Weltmeister Walter v Hütschler den Mast unten im Boot auf eine schiefe Ebene gesetzt, auf der er mit Hilfe einer Spindel bewegt werden kann (10). Das Vorstag kann ebenfalls durch Bedienen einer Spindel verstellt werden.

Walter von Hütschler erzielte in den dreißiger Jahren ebenso wie der deutsehe Goldmedaillengewinner von 1936 die großen Regattaerfolge im Starboot durch das sogenannte „flexible Rigg", das die Amerikaner auch das „German Rigg" nannten. Der Witz ist dabei, daß der Mast so elastisch ist, daß man ihn mehr oder weniger stark krümmen kann. Der flexible Mast ist inzwischen nicht nur beim Starboot, sondern auch beim Finn-Dinghy das Übliche geworden. Außer dem Mast kann man natürlich auch den Großbaum krümmen. Diesem Ziel dient außer der Schotführung der Großbaumniederholer, für den von Hütschler auf seinem „Pimm" eine Winsch mit zwei Trommeln benutzt (10). Es kommt darauf an, bei leichterem Wind ein bauchigeres, bei starkem Wind ein möglichst flaches Segel zu haben. Ein entsprechend geschnittenes Segel wird dadurch, daß man den Mast gerader richtet, bauchiger Krümmt man dagegen den Mast an der Spitze nach hinten, in der Mitte nach vorn und außerdem den Großbaum in der Mitte nach unten, dann wird die Fläche des Segels gewissermaßen auseinandergezogen, seine Wölbung wird abgeflacht.


1. Fallwinsch mit Sperrhebel auf einer Internationalen 5,5-m-Yacht. Die im Mast laufenden Fallen sind über Blockrollen im Mastfuß zur Winsch geführt.

2. Winsch mit großem Handrad und Feineinstellung für das Achterstag auf einem Internationalen 5,5er.

3. Spindelstrecker für das Achterstag auf einem 20-qm-Jollenkreuzer. Der Strecker ist hinten unter dem Achterdeck genau in der Mitte angebracht, so daß er vom Steuermann leicht bedient werden kann.

4. Blick in das Vorschiff einer Internationalen 5,5-m-Yacht. Neben dem Mast sind Spindeln, zum Strecken der Vorsegellieken angebracht. Zum Einhaken der Fallen dient eine Hakenleiste am Mast.

5. Blick in die Plicht desselben 5,5ers mit Streckerwinsch für das Achterstag mit Feineinstellung und großem Kunststoff-Handrad. Daß auch die schönen Dinge des Lebens beim Rennsegeln nicht unbedingt zu kurz kommen brauchen, beweist das Sitz- und Rückenpolster auf dem Platz des Steuermannes.

6. Befestigungsplatte und Wantenspanner mit Kunststoff-Schutzhülle auf dem Starboot „Pimm".

7. Backstagschiene mit Schlitten auf „Pimm"

8. Vorstag- und Vorsegelhals-Befestigung führen auf „Pimm" unter Deck zu Spindelstreckern.

9. Großbaum-Beschlag auf dem Starboot „Pimm" mit Block für den Großbaum-Niederholer, der unter Deckzu einer Winsch (10) führt. Damit der Mast zum Verstellen jederzeit genügend Bewegungsfreiheit hat, ist er nicht, wie sonst üblich, mit Holzkellen im Deck festgesetzt.

10. Auf „Pimm" steht der Mast unten im Boot nicht in einer festen Spur, sondern auf einer Art Schlitten, der durch eine Spindel verstellt werden kann.
Im Vordergrund eine Winsch mit zwei Trommeln für den Großbaum-Niederholer.

11. Großschotführung auf einem Starboot. Die Schiene für den Fußblock der Großschot reicht über die ganze Bootsbreite. Ein dünner Draht, der unter Deck zum Steuermann führt, erlaubt es, den Schlitten in jeder Stellung festzuhalten.

Autor: G. Grell



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