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35 Jahre deutscher Segeljachtbau - Teil 3

Von Artur Tiller, Charlottenburg.

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3. und letzter Teil

Ich komme jetzt zu den vielgestaltigen Segeljachten, die deutsche Jachtbauer ohne jede Beeinflussung durch irgendwelche Meßformel frei aus sich heraus geschaffen haben. Zu den winzigsten Fahrzeugen der KIeinsegelei rechnet man das deutsche Dingi. Seine wesentlichsten Merkmale ergeben sich aus dem Verwendungszweck: außerordentliche Kürze des Rumpfes, relativ große Breite und gute Seitenhöhe. U-förmige Spantform, geringes Gewicht und eine leicht zu verstauende Takelage. In dem Werke von H. Wustrau: "Vom Kanu zum kleinen Kreuzer" finden wir eine ganze Anzahl solcher Risse.

Ebenfalls zu den winzigsten Vertretern der KIeinsegelei gehört das Segelkanu, das aber im Gegensatz zu dem äußerlich etwas plump wirkenden Dingi eine elegante, schnittige Linienführung aufweist. Bild 35 zeigt einen typischen Vertreter der am häufigsten gebauten 7,50 qm-KanukIasse des Deutschen Kanu-Verbandes, die in der Kanusegelei etwa die Stelle der H-JoIle einnimmt.

Ursprünglich wurde zwar das Kanu nur gepaddelt. Wir aber erkannten recht bald den großen Vorteil der Seetüchtigkeit dieser scheinbar so schlanken, niedrigbordigen Bootsform und schufen daraus das Segelkanu. Es ist nur bedauerlich, daß diese Segelkanus sich bisher in Deutschland so wenig Anhänger zu verschaffen vermocht haben.

Eins der besten Gebrauchsboote für unsere deutschen Binnengewässer ist die Wanderjolle. Der geringe Tiefgang mit geliftetem Schwert erlaubt der Jolle das Befahren ganz flacher Gewässer, die dem Kielboot verschlossen sind. Die Jolle besitzt zudem bei geeigneter Spantform und Rumpfabmessungen eine große segeltragende Kraft. Die Konstruktion der Wanderjolle ist in Deutschland in dem letzten Jahrzehnt sehr vervollkommnet worden; ebenfalls aber auch die Kunst des Jollensegelns. Durch geschickte Ausnutzung des mehr oder minder zu Luv hinausgeschobenen lebenden Ballastes wettern selbst Wanderjollen mit wenig formstabilem, V-förmigem Hauptspant harte, stoßweise einsetzende Böen ab. Gerade diese Ausnutzung des lebenden Luvballastes ist in der deutschen Jollensegelei zu hoher Kunstfertigkeit ausgebildet. Die im Gegensatz zum Kielboot leichte, ballastlose Jolle läuft nicht nur infolge ihres geringen Gesamtgewichts auch bei schwacher Brise gut, sondern sie ist einfach bei jedem, auch dem böigsten Wetter dem Kielboot an Geschwindigkeit überlegen. Hinzu kommt noch, daß alle Jollen auch in Flaute noch gut ruderbar sind; daß sie ferner in der Besegelung handig und bequem zu bedienen und in den größeren Klassen so geräumig sind, daß man über die Plicht sein Zeit bauen kann und vom Landungsplatz unabhängig ist. Allerdings weisen die Jollen leider auch einen großen Nachteil auf: ihre Kenterbarkeit. Dafür sind sie aber auch reine Binnenboote, so daß das Kentern der Besatzung nicht leicht zu einer Gefahr wird.

Bild 36 zeigt uns eine der kleinsten Wanderjollen von 5 qm Segelfläche, 4,50 m größter Länge und 1,31 m größter Breite. Der kleine Bootskörper weist normale Maßverhältnisse und Formen auf im Gegensatz zu der in Bild 37 dargestellten 10 qm-Wanderjolle. Bei dieser letzteren hat sich leider der Konstrukteur nicht ganz von den Grundsätzen der RennjoIIenkonstruktion frei machen können; die Folge war ein zwar außergewöhnlich schnelles, aber leider wenig fonnstabiles Boot. Bild 38 zeigt uns eine offene Wanderjolle, die nach Fortnahme und Verstauung des teilbaren Mastes mit zwei Paar Skulls noch gut ruderbar ist. Es handelt sich hier um einen Jollentyp, der besonders für den Anfänger geeignet ist. Die in Bild 39 dargestellte 15 qm-Wanderjolle (H-Klasse) gehört zu der beliebtesten und verbreitetsten deutschen Jollenklasse. Sie wird zahlenmäßig nur von der 15 qm-Rennjolle (M-Klasse) übertroffen.

Ursprünglich konstruktiv eng mit der Jolle verwandt sind die Jollenkreuzer. Heute dagegen geht der Jollenkreuzerkonstrukteur eigene Wege, wie das am besten Bild 40 zeigt. Im Gegensatz zu der Wanderjolle hat der Jollenkreuzer bei verhältnismäßig großer Breite ein kräftiges Unterwasserschiff und beträchtlichen Außenballast, falls er zu der Klasse der seetüchtigen Jollenkreuzer gehört. Dadurch wird bei den Küstenjollenkreuzern nicht nur die erforderliche Unkenterbarkeit gewährleistet, sondern auch ein anderer störender Nachteil der Wanderjolle vermieden. Die letztere kann nämlich beim Aufkreuzen im rauhen Wasser infolge ihres geringen Eigengewichts und kleinen Lateralplans nicht lange leben, zumal ihrem leichten Rumpf das nötige Massenträgheitsmoment besonders im kurzen, steilen Seegang fehlt. Das aber besitzt der Jollenkreuzer nach Bild 40 zur Genüge.

Ein sonderbarer Heiliger tritt uns in Bild 41 entgegen. Gemäß der Form seines Rumpfes ist er eigentlich ein Schwertboot, trotzdem er mit fester Flosse i-md Außenballast versehen ist. Dem Grundgedanken dieses Bootstyps, den ich erstmalig 1923 entworfen habe, liegt die Tatsache zugrunde, daß bei Jollenkreuzern unter 6,50 m Decklänge die vom Schwertkasten zerschnittene Fußbodenfläche zu gering ist und sich ferner das Schwert schlecht bedienen läßt. Das ist bei diesem Boot vermieden worden. Wer jemals eines dieser winzigen Boote gesegelt hat, ist ehrlich erstaunt über ihr gutes Benehmen bei viel Wind und rauhem Wasser. Ein Reffen ist selten nötig; hinzu kommt noch eine außerordentlich geräumige Kajüte. Außerdem gewährleistet der genügend tief gelagerte Außenballast schon in geringer Menge das Herabziehen von G unter F und damit Unkenterbarkeit. Entgegen allen Erwartungen hat sich also dieser kurze, breite Typ in zwei Ausführungen von 5 m und 6 m Länge gut bewährt. Er verdient besonders als Jungmannboot, bzw. für den über wenig Mittel verfügenden Einzelsegler wirklich Beachtung.

Ein für unsere Binnengewässer und solche Seesegler, die ihren Wohnsitz an Binnengewässern haben, geeignetes Fahrzeug ist die Kielschwertjacht. Die Kielschwertjacht erfüllt ihren Zweck gegenüber dem reinen .Kielboot aber nicht durch einfache Tiefgangsverminderung. Sie hat nur dann Daseinsberechtigung, wenn sie unkenterbar ist. Eine nur mit Außenballast versehene, kenterbare Kielschwertjacht ist zu verwerfen. Hauptbedingung ist, daß eine genügende Menge nicht zu tief gelagerten Außenballastes derart angeordnet ist, daß in vollständig ausgerüstetem Zustande G unter F zu liegen kommt. Ja, es genügen bei einigen Kielschwertjachten mit einem. Verhältnis von L : B unter 4 : 1 hierfür nur einige Millimeter. Bei geeigneter, nicht zu V-förmiger Spantform wandert nämlich F mit zunehmender Krängung sehr rasch nach Lee aus und zwar in einem derartigen Maße, daß selbst dann, wenn G etwas über F liegen sollte, praktisch durch den großen Stabilitätsumfang dennoch Unkenterbarkeit gesichert ist.

Bild 42 stellt den Prototyp einer bewährten, seegehenden Kielschwertjachtmit nur 90 cm Tiefgang dar. Sie besitzt einen außerordentlich starken Hilfsmotor (Junkers-Diesel, 20 PS, mit gegenläufigen Kolben). Leider sind für den Rhein und die Elbe derart kniffige Maschinen erforderlich; für weniger heftige Stromläufe und die See wäre hier ein 10 PS leistender Motor bereits ausreichend. Was Spantform, Überhänge und Gewichtsanordnung anbetrifft, so muß die seegehende Kielschwertjacht hierin zuerst die Anforderungen der See befriedigen; in zweiter Linie erst die ihres speziellen Binnengewässers bzw. Flußlaufes. Bild 42 zeigt eine solche erstrebenswerte Lösung im Prinzip; eine weitere, nur für Binnengewässer geeignete Lösung sahen wir bereits in Bild 27 abgebildet (nationaler 35 qm-Kielscbwertkreuzer).

Ein in Deutschland wenig gekannter, sich aber besonders für den Amateurbootsbau eignender Typ ist der Knickspantkreuzer. Ein richtig durchkonstruierter Knickspantkreuzer eignet sich nicht nur für Deutschlands Binnengewässer, sondern auch für die See. Er geht erstaunlich hoch an den Wind und ist in bezug auf Seefähigkeit dem Rundspantboot absolut gleichwertig. Das zeigt besonders gut Bild 43. Ich glaubte auf Grund langer Erfahrung zu sprechen, wenn ich sage, daß es sehr schwer sein wird, ein rundspantiges Seeboot gleicher Größe mit wesentlich besseren Seeigenschaften zu entwerfen. Teurer wird es aber bestimmt.

Eine Anzahl weiterer, ohne Meßformelzwang entworfener Risse verschiedenster Größe enthält mein Vortrag vom Jahre 1931, so daß ich mir die Wiedergabe ähnlicher Zeichnungen heute ersparen kann.

Als Abschluß möchte ich Ihnen die im Jahre 1934 gebaute größte Segeljacht, den für Schweizer Rechnung entworfenen StagsegeI-Schoner „Swastika" (Bild 44) vorführen. Diese etwa 21 m lange und 45 t schwere Jacht kann wohl mit Recht als eins der besten und größten Erzeugnisse des deutschen Segeljachtbaues des Jahres 1934 gelten. Konstrukteur und Werftleute sind Deutsche und sein Eigner ein Deutsch-Schweizer, ist ein begeisterter Anhänger unseres Führers Adolf Hitler. Dieser Schoner ,,Swastika" hat sich bereits auf Probefahrten auf der Ost- und Nordsee als ausgezeichnetes Seeboot bewährt; er besitzt einen 50 PS-Rohölmotor als Hilfsmaschine.

Zusammenfassend habe ich Ihnen kurz die Fortschritte der letzten 35 Jahre deutschen Jachtbaues gezeigt. Ich habe mich hierbei hauptsächlich auf die Kritik der Bootskörper beschränkt und die Fortschritte in der Besegelung nur kurz angedeutet.

Aber bereits die beigefügten Segelrisse zeigen uns den hier zurückgelegten Weg des Fortschrittes. Die enorm großen und niedrig angeordneten Segelflächen, wie wir sie noch im Jahre 1900 sahen, sind dem im Flächeninhalt weit geringeren, außerordentlich hohen und schmalen Segelplan mit langer, schneidender Vorkante gewichen (siehe Bild 22b). Es ist nicht zu leugnen, daß die mit schmalen Flugzeugtragflächen gemachten Erfahrungen wesentlich zu dieser Umwälzung beigetragen haben. Unabhängig davon hat man aber auch die Düsenwirkung richtig angeordneter, sich überlappender Vorsegel studiert und die hier entdeckten Vorteile wenigstens in der Besegelung unserer Rennjachten ausgenutzt, während man bei den Seekreuzern infolge der geringen Besatzung zur sich selbstbedienender "Baumfock" greifen mußte und daher die Düsenwirkung der Vorsegel leider nicht ausnutzen konnte.

Doch dieses Gebiet der Aerodynamik im Jachtbau ist ein so umfangreiches und bedeutungsvolles, daß ich es hier nicht als Anhang mit wenigen Worten abtun möchte. Ich möchte dringend hoffen, daß bald ein Spezialist auf diesem Gebiet sich zur Preisgabe seiner Erfahrungen entschließt; der deutsche Segeljachtbau würde es ihm unbedingt mit Fortschritt lohnen.

Dieser Rückblick auf die Entwicklung des deutschen Segeljachtbaus, den ich in Verbindung mit der heutigen Feier des 35jährigen Bestehens der Schiffbautechnischen Gesellschaft gerade auf diese Zeitspanne eingestellt habe, wird Ihnen aIlen gezeigt haben, daß Deutschlands Schiffbautechnik auch auf diesem Gebiete, auf dem es sich gegen die reichen Länder mit alter Segelsportüberlieferung seine Sporen erst verdienen mußte, doch bereits Außerordentliches geleistet hat. Auf der Seite der Konstrukteure habe ich nur einige berühmte Namen erwähnt, denn an eine vollzählige Nennung ist natürlich in diesem Rahmen nicht zu denken. Auch die Liste der deutschen Männer, die durch ihre überragenden Sportleistungen in zahllosen internationalen Wettkämpfen die deutsche Flagge zum Sieg geführt haben, und unter denen Prinz Heinrich von Preußen, Richard C. Krogmann und Kronprinz Wilhelm voranstehen, ist zu groß, als daß sie hier wiedergegeben werden könnte. Wenn wir ihrer bei diesem Rückblick Erwähnung tun, so muß auch mit dankbarer Anerkennung des Kaisers und des verstorbenen Geheimrat Busley gedacht werden, die sich namentlich um die Organisation des deutschen Wassersports und seine Förderung durch die Schiffbautechnische Gesellschaft unvergängliche Verdienste erworben haben.

Literaturübersicht:

1. „Y a c h t b a u" von Ing. Artur Tiller. Verlag R. C. Schmidt & Co., 1929
2. „B r i x - B o o t b a u" Akademischer Verein Hütte e.V. Verlag Ernst & Sohn, 6. Auflage, 1921
3. ,,D i x o n K e m p" Yacht Architecture von HeckstaIl-Smith. London, 1913
4. „Elements of Yacht Design" von Norman Skene. Verlag The Rudder, 1930 (?)
5. „D i e S e g e l" von .R. Mewes u. Lohmann. Verlag R. C. Schmidt, 1932
6. „K a n u b a u und -segeln" von Ing. Artur Tiller. Verlag Clasing & Co., 1926

Zeitschriften:
1. „D i e Y a c h t", Verlag Clasing & Co., Berlin W 9, Potsdamer Str. 139.
2. „Y a c h t i n g", New York, U.S-A., 205 East -12nd Street.


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