Etwas Physik
Vor dem Winde segeln: kein Problem. Die Fläche des Segels bietet der Windströmung Widerstand, auf der Luvseite des Segels entsteht Druck, auf der Leeseite Unterdruck, das Boot bewegt sich in Richtung des Windes.
Im Grunde der gleiche Effekt wie beim Fallschirm; die Ähnlichkeit der Wölbung eines Spinnakers vor dem Wind mit der eines Fallschirms ist nicht von ungefähr. Es kommt darauf an, dem Winde eine möglichst große, gewölbte Fläche entgegenzustellen und im Wasser so wenig Widerstand wie möglich zu erzeugen. — Aber wieso kann man schräg gegen den Wind ansegeln? — Nun, dann trifft der Wind mit einem kleinen Einfallwinkel auf das fast in die Mittschiffsebene des Bootes geholte Segel und strömt laminar daran entlang, so wie die Luft an einer Tragfläche eines Flugzeuges oder an dem Flügel eines Schwebevogels. Dadurch wird beim Flügel auf der Oberseite, beim Segel auf der Leeseite eine Auftriebskraft erzeugt, die sich in eine senkrecht zur Bootslängsachse und eine nach vorn gerichtete Komponente zerlegen lässt; letztere ist der Vortrieb. Analog zur Fläche des Segels in der Luft wirkt der Lateralplan im Wasser, er verhindert, dass das Boot in Richtung des Windes abgetrieben wird. Max Oertz hat das vor der Schiffbautechnischen Gesellschaft 1901 so formuliert: „Das Segeln am Winde ... kann man vergleichen mit dem Segelflug der ... Schwebevögel. ... Die Vogelflügel arbeiten jedoch stets in derselben Materie, der sie umgebenden Luft, während die Yacht mit dem einen Flügel, der Segelfläche, in der Luft, mit dem anderen Flügel, der Flosse, im Wasser arbeitet. Entsprechend der verschiedenen Dichtigkeit dieser Materien ... steht auch die Größe der Segelfläche zu der der Flosse, resp. des Lateralplans in einem gewissen günstigen Verhältnis. Der Vogel schwebt um so vollkommener, je länger und schmaler die Flügel sind, ... ähnlich ist es bei der Yacht; ein langer, niedriger und an Areal großer Lateralplan ... erweist sich als lange riieht so wirkungsvoll wie eine tiefe, flügelartige Flosse ... der schmale, tiefe Lateralplan im Verein mit der dadurch bedingten kleinen benetzten Oberfläche ist ein Charakteristikum der modernen Yacht." Das gilt heute wie damals; bleibt nur noch zu bemerken, dass große Streckung auch für die Wirkung der Segel günstig ist. Von dieser Auftriebskraft brauchen wir den Vortrieb, den wir gewissermaßen mit der unerwünschten Querkraft bezahlen müssen. Denn die Querkraft im Segel will ja das Boot in Richtung des Windes treiben, die des Lateralplans setzt dem Widerstand entgegen. Da bei eigentlich allen Booten die Längsachse der Kielflosse bzw. des Schwertes zu der Längsachse des Bootes parallel liegt und der Lateralplan, um wirksam zu werden, in einem Winkel zur Strömung stehen muss, folgt, dass ein Segelboot am Winde nicht in der Richtung seiner Längsachse, sondern nur in einem gewissen, nach Lee gerichteten Winkel laufen kann, dem „Abdriftwinkel", den der Konstrukteur durch gute Formgebung des Bootes so klein wie möglich zu halten bemüht ist.
Alle Lagen des Segelbootes zwischen „Hoch am Wind" und „Vor dem Wind" sind Zwischenstadien zwischen den beiden Endzuständen „Tragfläche" und „Fallschirm".
Um optimal wirksam zu sein, muss das Segel eine dem Einfallwinkel und der Stärke des Windes angepasste Wölbung annehmen, und die lässt sich durch Biegung des Mastes und Baumes und durch mehr oder weniger starke Spannung der Segelkanten, der Lieken, sowie weitere „Trimm-Maßnahmen" beeinflussen.
Die Querkraft am Segel will das Boot aber auch auf die Seite legen, und diesem „krängenden Moment" muss ein aufrichtendes Moment entgegenwirken. Es sind 2 Faktoren, die das Boot in eine stabile Schwimmlage zurückholen wollen: die Bootsform und das Gewicht. Wenn bei Krängung die eine Bootsseite vermehrt ein- und die andere entsprechend austaucht, dann wird das Volumen der eintauchenden Seite im Wasser größer und das der austauchenden kleiner; mithin vergrößert sich der Auftrieb auf der eingetauchten Seite. Je breiter nun ein Boot ist, desto länger kann der das aufrichtende Moment erzeugende Hebelarm werden. Auch das Gewicht muss, um aufrichtend zu wirken, an einem möglichst langen Hebelarm angreifen. Daher ordnet man es unter der Flosse, also recht tief, als Ballastkiel an - Kielboot -, und es wirkt dann nach der Art des Stehaufmännchens. Oder - Schwertboot - die Mannschaft bringt das erforderliche Gewicht „auf die Waage", indem sie sich so weit nach Luv hinausbegibt wie nötig, um das Boot auf etwa ebenem Kiel zu segeln. Es leuchtet ein, dass ihr das um so besser gelingt, je größer der verfügbare Hebelarm ist, daher sind die Jollen allgemein breiter als die Kielboote, und die Verlagerung des Gewichts nach außen wird durch Hinauslegen - „Ausreiten" - und dadurch, dass sich auf den Zweimannbooten der Vorschotmann ins Trapez hängt, verstärkt. Mit ihrer großen Breite sind hier die Katamarane besonders gut dran.
Je geringer der Widerstand des Bootes, desto besser kann die Kraft des Windes in Geschwindigkeit umgesetzt werden. Der Widerstand setzt sich aus einer Reihe von Anteilen zusammen, deren wichtigste die durch Reibung und durch die Bootsform erzeugten Anteile sind. Der Anteil der Reibung am Gesamtwiderstand ist bei geringer Fahrt, der durch die Form erzeugte bei schnellerer Fahrt am größten. Daher das Ringen der Konstrukteure einmal um Reduzierung der Reibung erzeugenden „benetzten Fläche", d. h. der im Wasser liegenden Teile des Bootes, und zum anderen um eine auch im Seegang möglichst „glatte" Form des Bootes. Hier sind die Schwertboote im Vorteil, denn sie können den Lateralplan „einziehen", wenn sie ihn bei achterlichem Wind, wo es keine Abdrift gibt, nicht brauchen. Wenn sie zudem einen flachen Boden haben und leicht genug sind, können sie nach Art schneller Motorboote zum Gleiten kommen und Geschwindigkeiten erreichen, die viel größere Verdrängungsboote nicht schaffen.