11 yachten Segelyacht klassich 1

"Bahamut" - 30 qm Binnenkieler L 174

Text, Fotos: Dr. Christoph Raddatz

L-174 „Bahamut“, ex „Carmen X“, ex „Margret IX“, ex „Hedy“, ex „Schwan“, ex „Rebell“, ex „El Cid“, ex „Comet“ wurde 1929 auf der Buchholz-Werft in Berlin-Grünau gebaut.
Der Konstrukteur war Gravenholdt, der seinerzeit die deutsche Dependance des berühmten Schärenkreuzerkonstrukteurs Estlander leitete. Auftraggeber war ein Herr Konsul Friedrich Mödebeck in Berlin. Mödebeck war einer der „Verrückten“, die jedes Jahr ein neues Boot bauen ließen. Seine Schiffe hießen sämtlich „Carmen“ und wurden nur noch durchnummeriert. Im Jahre 1927 wurde der aktuelle Neubau in der ersten Frühjahrsregatta versenkt. Prompt gab er ein neues Schiff in Auftrag. So war 1927 das Jahr, in dem er zwei L-Boote zu Wasser ließ.

Das zweite Boot existiert heute noch und wird am Ammersee in fast originalem Zustand gesegelt.

L-174 wurde bereits 1939 von Alexander Jörissen an den Rhein geholt und damals unter der Nr. 1189 in das Yachtregister des DSV eingetragen. Der auf Jörrissen ausgestellte Standerschein wurde zuletzt am 28.5.1938 verlängert und galt bis 26.4.1944. L-174 überstand den Krieg versenkt im Hitdorfer Hafen. Weitere Eigner waren in nicht chronologischer Reihenfolge: Felix Kappes, H. Ritzerfeld, Fritz und Greti Müller, Willi Mertens, Rudi Pußt, Helmut Klug, Gerhard Gehrmann, noch ein weiterer Eigner am Rursee und schließlich Maren und Christoph Raddatz.

L-174 war über viele Jahre eines der erfolgreichsten Schiffe in Wettfahrten auf dem Rhein und anderen Revieren. Kaum eine Regatta hat es nicht schon mindestens einmal gewonnen. Das Boot war immer außerordentlich schnell und lief eine geradezu unverschämte Höhe. Beides wollten wir bei der Restauration erhalten und auch die klassische Erscheinung mit Peitschenrigg wieder herstellen.

Das Bild des Bootes auf dem Trailer täuscht, wir fanden das Boot in jämmerlichem Zustand. Den gesamten achteren Überhang konnte man am Spiegel ohne Kraftaufwand um 20cm anheben, so weich waren die Verbände.

Die Plankengänge standen bis zu 8mm auf, das Boot hatte Enten und allerlei anderem Getier als Wohnung gedient. Die Plankenstärke betrug bis auf wenige geringfügig dickere Stellen nur noch 8mm, wobei die vorgeschriebene Mindeststärke bei 14mm liegt.
Die Bestandsaufnahme des mit der Restaurierung beauftragten Bootsbauers Jörn Niederländer in Nettetal war ernüchternd, schien aber nicht hoffnungslos. Und wie das so ist mit der Liebe, sie macht bekanntlich blind. Folglich ließen wir uns mit dem Schiff und auf die Restaurierung ein. Schnell wurde bei genauem Hinsehen klar, dass es nur drei Alternativen gab: 1. Ein Streichholz, 2. kompletter Neuaufbau mit neuer Beplankung usw. oder 3. Überfurnieren.

Wir haben lange überlegt und hin- und hergerechnet. Am Ende schien die dritte Lösung die vernünftigste in diesem Wahnsinns-Projekt zu sein.

Parallel zu den Arbeiten am Rumpf wurden die gesamten konstruktiven Berechnungen vom Eigner neu vorgenommen und an die aktuellen Verhältnisse angepasst. Nach den strukturellen Reparaturen von Kiel, Bodenwrangen, Spanten und Planken wurden die Plankengänge ausgespachtelt und der Rumpf mit zwei diagonalen Lagen Gabun und einer Längslage Sipo-Mahagoni überfurniert. Die Plankenbreite der Längslage entspricht exakt der von innen sichtbaren Originalbeplankung, die Plankenstöße liegen entsprechend außen wie innen.

Letztendlich war es die Marotte des Eigners, in die Außenlage jeweils exakt an den Spanten und Plankenstößen Pfropfen einzusetzen, die das klassische Bild vervollständigen. Die 3500 Pfropfen haben Ehefrau und Eigner an dessen Geburtstag gefräst, gebohrt und eingesetzt. Früh im Jahr eine kühle Angelegenheit! Aber wat mut, dat mut!

Irgendwann wurde sie dann fertig, ausgerüstet und geriggt. Das neue Rigg und der Segelplan wurden auch vom Eigner konstruiert, der Mast in Berlin von Schwarz sen. gebaut. Der neue Peitschenmast wog mit Nirobeschlägen und Fallen, jedoch ohne stehendes Gut 38,5Kg. Der alte, zuletzt gerade Mast wog nahezu 100kg. Wir haben Gewicht gespart wo es ging, um möglichst die ursprüngliche Verdrängung zu erhalten. Das Schiff ist wieder schnell, läuft wieder eine unverschämte Höhe und hat seine alte Eleganz behalten.

 

Und auch auf dem Trailer sieht´s nun besser aus:

Zum Schluss bleibt eigentlich nur zu sagen: Es hat sich für uns in jedem Fall gelohnt, die aufwendige und kostenintensive Restaurierung dieses unglaublich schönen Schiffes unternommen zu haben. Der Gewinn an Lebensqualität und Genuss beim Segeln ist enorm und nach unserer Meinung den Einsatz wert.

Vielleicht ist auch noch interessant, wie die Regatten seit der Restaurierung 1995/96 gelaufen sind:

Münchener Woche 1997 (Hat mir nicht gefallen, fahre nicht mehr hin)
Bodensee-Traditionswoche 1997 2.Platz Yardstick-Gruppe
Ammersee-Traditions-Klassen-Regatta 1997 (glaube 5. oder 6.)
Bodensee-Traditionswoche 1999 1.Platz Yardstick-Gruppe
100 Jahre Yacht-Club-Rheingau 2000 1. Platz über alles (67 Schiffe)
Bodensee-Traditionswoche 2001 1. Platz Yardstick-Gruppe, 1. Platz über alles (88 Schiffe)
Ammersee Oldies (Augsburger SC) 2002 1. Platz über alles (32 Schiffe)
Leman Tradition 2002 Montreux 14. Platz (148 Schiffe)
HDL-Finale Ammersee 2002 1. Platz L-Bootklasse ( 6 Schiffe als Klasse am Start!)

Sie sehen, das Schiff hat Anschluss gefunden an seine höchst erfolgreiche Regattalaufbahn in früheren Zeiten.

PS. Wenn die Events im Norden etwas länger wären und die weite Anreise sich dann auch lohnen würde, wäre L-174 auch mal im Norden zu sehen. Übrigens planen wir eine L-Boot-Regatta am Thuner See im nächsten Jahr. Wir haben dort eine segelnde Flotte von 6 L-Booten gefunden und kürzlich ein gemeinsames Treffen gehabt. Es ist gut möglich, dass wir zu dieser Regatta 10 bis 12 Schiffe an den Start bringen. Das wäre großartig!