Harry Wustrau und das Sandschiff
Sandschiff? Sand ist ja ein Medium, mit dem wir die wunderschönen klassischen Yachten eher nicht in Verbindung bringen. Und doch gibt es da eine ganz wundervolle Geschichte über Harry Wustrau und - ja eben doch - ein Sandschiff.

Links im Bild: Harry Wustrau
Harry Wustrau ist ja bekannt, als einer der führenden deutschen Yachtkonstrukteure. Und schon der Vater, Louis Wustrau, besaß eine klassische Yacht. Bei dieser Yacht handelte es sich um ein älteres Schwertboot mit Klippersteven, langem Klüverbaum, Kajüte und großem Cockpit namens „Darling“. Im Jahr 1892 wurde Harry 14 Jahre alt und scheint doch immer mal wieder damit geliebäugelt zu haben, einen Törn mit „Darling“ zu unternehmen. Allerdings war das Boot für Harry wegen seiner Größe tabu, obwohl er schon über einige Erfahrung im Segeln verfügt haben soll. Aber in der Nähe gab es einen kleineren Kahn mit Rudern und einem Vierkantsegel. Das schien Harry gerade recht für einen Segelversuch, den er mit dem zehnjährigen Bruno unternahm. Beide entwischten der elterlichen Aufsicht. Die Aufregung war groß, als die beiden von Mutter und ihrer Reinemachefrau entdeckt wurden, wie sie bei reichlich Wind unterhalb der Wustrau‘schen Villa herummanövrierten. Erst ein von der Reinemachefrau geschwenktes langes Tuch und lautes Geschrei bewirkte, dass Harry zum Steg zurück segelte. Er scheint nicht sehr glücklich darüber gewesen zu sein. Die Mutter allerdings war ernstlich böse und auch Vater Louis schalt den Jungen am Abend, auch wenn er insgeheim wohl mit dem Mut und dem „Seglerischen Geist“ seiner Söhne sehr zufrieden gewesen zu sein scheint.
Um jedoch die seglerische Ausbildung der beiden weniger gefährlich zu gestalten, ließ der Vater im folgenden Jahr ein Sandboot für die Sprosse bauen. Eine schlanke Segelyacht stand Pate für die 2,5 m lange Platte in Decksform, die der Tischler im Dorf anfertigte. Ein Cockpit wurde ausgesägt und ausgegraben, so dass die Kinder wie auf einem richtigen Boot sitzen und ausreiten konnten. Getakelt wurde das Boot mit einem hohen Mast, langem Klüverbaum und Besan. Daran konnten Gaffelsegel, Topsegel, zwei Vorsegel und sogar ein Flieger fachgerecht gesetzt werden, alle von Mählitz aus feinster Baumwolle gefertigt. So konnten sie nun nach Herzenslust herumkreuzen. Wie müssen die Jungs stolz gewesen sein. Schwester, Freundin und auch die Puppe wurden als Passagiere mitgenommen auf die Törns. Und nachdem die Söhne so ordentlich Segeln gelernt hatten, durften sie dann auch mal einen Törn auf „Darling“ alleine segeln.
Diese Geschichte wurde aufgeschrieben von Harrys Schwester Alice und uns von Joachim Fleck dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Die Mutter von Joachim Fleck war die Patentochter von Alice und bekam die Texte um 1960 herum von ihrer Patentante geschenkt.
Mehr zu Harry Wustrau findet sich hier.
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