Rotoryachten
Viele technische Neuerungen, die uns heute vor allem im Hochleistungssport-Segelsport begegnen, sind überhaupt nicht neu. Vielmehr wurde bereits in den 1920er und 30er Jahren sehr viel experimentiert. Dazu gehören beispielsweise auch Festflügelsegel, wie sie uns heute im SailGP begegnen. Über ein anderes Experiment wollen wir hier berichten - den Rotoryachten.

1925 berichtete die "Yacht" in mehreren Artikeln über Versuche von Anton Flettner, in denen der sogenannte Flettner-Rotor auch auf Yachten eingesetzt wurde. Bekannt sind sicherlich die Versuche mit kommerziellen Schiffen, vor allem mit den Versuchsschiffe "Buckau" und "Barbara". Dass diese Technik auch auf Yachten getestet wurde, ist sicherlich weniger bekannt.
Worum geht es? Der Flettner Rotor sieht aus wie ein überdimensionierter Schornstein. Tatsächlich handelt es sich um eine Röhre, die mittels eines Antriebs in Rotation um die Hochachse versetzt wird. Es handelt sich um einen Windantrieb, der den sogenannten Magnus-Effekt nutzt (benannt nach dem Physiker Heinrich Gustav Magnus, 1802 - 1870). Dabei wird eine Kraft quer zur Anströmung erzeugt, ähnlich wie bei einem Segel. Diese Kraft kann zum Vortrieb eines Wasserfahrzeuges genutzt werden. Gegen den Wind und vor dem Wind ist der Flettner Rotor nicht nutzbar. Der Antrieb funktionierte zuverlässig. Bereits 1926 überquerte die "Buckau" mit zwei installierten Rotoren den Atlantik und von 1926 - 1929 fuhr die größere "Barbara" mit ihren drei Rotoren regelmäßig bis ins Mittelmehr.
Im Yachtbau tauchten zwei Rotoryachten kurz nach Pfingsten 1925 auf dem Templiner See auf und wurden auf der danach folgenden Potsdamer Wassersport-Ausstellung ausführlich präsentiert. Eine der beiden Yachten wurde als Seekreuzer bei Burmester gebaut und von Flettner für die Versuche angekauft und umgebaut. Die zweite Yacht war aus Stahl gebaut, grellrot angestrichen und trug den Namen einer Zeitung aus dem Ullstein Verlag. Beide Yachten zeigten zwar generell die Eignung eines Flettner-Rotors für den Vortrieb einer Yacht, scheinen sich allerdings nicht übermäßig bewährt zu haben. 1926 berichtete die "Yacht" dann über weitere Versuche mit einer 6mR Yacht, die bei Pabst gebaut wurde und einen weiterentwickelten Rotor erhielt. Mit den Yachten wurden ausführliche Segelversuche unternommen. Bei leichten Winden scheinen die Rotoryachten gleichwertigen Segelyachten unterlegen gewesen zu sein. Bei mittleren Winden jedoch konnten sie einige Vorteile ausspielen.
Durchgesetzt haben sie sich letztendlich nicht. Das lag sicherlich auch mit daran, dass der Rotor einen Antrieb benötigt, wofür üblicherweise kleine Benzinmotoren mit bis zu 4 PS eingesetzt wurden. So hatten die Besatzungen sicherlich eher das Gefühl, auf einer Motoryacht zu sitzen als auf einer Segelyacht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Beitrag in der "Yacht" Heft 5, 1925, wo es um die anzuwendenden Ausweichregeln ging. Man war der Meinung, dass es sich bei Rotoryachten um Segelfahrzeuge handelt, allerdings wurde auch auf entsprechende Regelungslücken hingewiesen.
Heute erfährt der Flettner Rotor um Handelsschiffbau eine Renaissance. Einsparungen von bis zu 30% Brennstoff machen diese Technologie heute wieder interessant als Zusatzantrieb.
Nachweise in der "Yacht":
- https://www.yachtsportmuseum.de/suche/die-yacht/resultate?Titel=rotoryacht&Jahrgang_min=1920&Jahrgang_max=1930
- https://www.yachtsportmuseum.de/suche/die-yacht/resultate?Titel=flettner&Jahrgang_min=1920&Jahrgang_max=1930&start=25
- Thema:
- Generell